Gustl Kaiser - Zum 25. Todestag (02.05.1989)

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    • Gustl Kaiser - Zum 25. Todestag (02.05.1989)

      Gustl Kaiser - Zum 25. Todestag (02.05.1989)

      Ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod ist der Name Gustav “Gustl” Kaiser heute längst aus der Wrestling-Szene verschwunden und taucht höchstens noch in wenigen Artikeln und Büchern auf. Welchen Einfluss er auf die Entwicklung und den Erfolg des deutschen Wrestlings einst ausübte, lässt sich mit kurzen Worten kaum beschreiben, wenn überhaupt nur in Ansätzen in eine gedrängte Kurzfassung packen. Gustl Kaiser war der erfolgreichste und bedeutendste Veranstalter von Berufsringkampf-Turnieren in Mitteleuropa für einen Zeitraum von annähernd zwei Jahrzehnten. Spätere Veranstalter, die ab den 1960er Jahren die Szene betraten (Edmund Schober, Nico Selenkowitsch), konzentrierten sich zumeist auf ein bis zwei Lokalitäten. Kaiser tourte mit seiner Catcher-Truppe durch weite Teile der damaligen BRD bis nach Österreich. Auf mehreren Wegen hat er die Szene stark geprägt: als Wrestler, als Veranstalter, als Förderer von baldigen Superstars und auch als einer der wichtigsten Offiziellen, die sich nach Ende des Zweiten Weltkrieges für einen Neuanfang einsetzten. Er verhalf dem Business wieder zu mehr Ansehen, obwohl sich das Wrestling hierzulande schon damals in einer Art “Nische” bewegte und nicht mehr an Akzeptanz gewann, als es vorher und nachher der Fall gewesen ist. Auch Kaiser gelang es nicht, die breite Masse fürs Wrestling zu begeistern oder es gar auf eine internationale Ebene zu bringen, wie es das amerikanische Wrestling geschafft hat. So blieb Kaiser sozusagen ein kleiner “Großveranstalter” auf internationaler Ebene, jedoch auf der europäischen Bühne umso bedeutender.

      Während der 1920er Jahre kommt Kaiser durch seinen Heimatverein im oberfränkischen Rehau erstmals in Kontakt mit dem Kraftsport und Ringkampf. Er beginnt seine Laufbahn zunächst als Amateurringer und Boxer bis er Anfang der 1930er Jahre in Berlin ins Lager der Berufsringer wechselte. Die Reichshauptstadt war damals ein Sammelpunkt für viele Berufsringer, die meistens für den Internationalen-Ringer-Verband (IRV) auftraten. Gustl Kaiser ging zuerst ins andere Professionallager über, das der Stabuffringer (Zirkus-Buden-Rummelringer) und trat kurz für deren Vereinigung an (Deutscher-Ringer-Verband). Doch für einen längerfristigen Erfolg kam man am IRV irgendwann nicht mehr vorbei. Also wechselte Kaiser schließlich 1933 ins wesentlich größere Lager der Professionals unter dem Management des IRV über. Durch die noch im gleichen Jahr vollzogene Gleichschaltung der beiden Verbände zum Verband-Deutscher-Berufsringer (VDB) begann gleichfalls eine Zeitenwende in Punkto Organisation und Austragung von Ringkampf-Veranstaltungen. Der VDB unterstand nun dem Reichssportführer (Reichssportbund) und dem neugeschaffenen “Reichsfachamt für Schwerathletik” unter dem Vorsitz von Kurt Frey. Für die meisten Ringer des ehemaligen IRV, wie Kaiser, änderte sich nicht viel, wenn sie regelkonform waren und nicht als sog. “unmoralische Elemente”, wie Frey sagte, negativ auffielen. Unter die Zensur und dem baldigen Verbot fielen die Stabuffringer, Maskenringer sowie sog. “Matchkämpfe”. Nach Definition von Frey reine auf Show- und Sensation getrimmte Veranstaltungen. Doch die Wirklichkeit sah dann anders aus, zumal man sich erstmal von Seiten des Reichssportbundes auf eine genaue Zuordnung des Genres “Berufsringkampf” festlegen musste. Das Milieu von Gustl Kaiser war für die meisten Fachleute und selbsternannten Experten schon damals schwer einzuordnen. Zwar wurden Ringkämpfe auf dem Rummel und in Buden untersagt, verhindern konnte man sie dennoch nicht. Vereinzelt fand sich doch ein Veranstalter, der diese Ringkämpfe präsentierte. Ab 1934 wurde Kaiser von den Veranstaltern des deutschen Reiches für kontinuierliche Auftritte in den Turnieren (Konkurrenzen) verpflichtet (“Westergaard” Paul Schmidt, Rudolf Zurth, Otto Draber). Mit Unterbrechung durch den Zweiten Weltkrieg blieb er bis 1952 ein aktiver Berufsringer.

      Die Zweite weitaus erfolgreichere Phase von Gustl Kaiser war die des Veranstalters. Erste Erfahrungen machte er 1938 mit der Organisation seines ersten Turniers in Magdeburg, das beinahe eine ziemliche Pleite geworden wäre, sich dann aber doch zu einem Erfolg entwickelte. In der Umstellungsphase der späten 40er und frühen 50er Jahre, wo die Szene in Mitteleuropa vom klassischen Stil (griechisch-römischer Stil) auf den freien Stil (Catchen) wechselte, war Kaiser einer der Schlüsselfiguren für die zukünftige Ausrichtung der Shows verbunden mit einem längerfristigen Erfolg. Erich Kowalski war einer der ersten Veranstalter die 1946 in Berlin wieder mit der Austragung von Berufsringkampf-Turnieren begannen (zunächst im griechisch-römischen Stil, dann in gemischten Turnieren auch mit dem freien Stil). Für Gustl Kaiser begann die Neuorganisation in Hamburg, die sich dann allerdings bundesweit auswirken sollte. Unter Kaiser sammelten sich Veranstalter und Ringer aus Vorkriegszeiten zur Gründung einer neuen Vereinigung zum Zwecke der Organisation und Ausrichtung von Berufsringkampf-Turnieren. Der “Internationale-Berufsringkämpfer-Verband (IBV)” entstand 1947 in Hamburg als Nachfolger des alten Berliner IRV. Kaiser und seine Mitinitiatoren (Georg Thumser, Otto Draber, Bruno Mosig) bestanden eindringlich auf dieser Nachfolge und auf einem eigenen Regelwerk, das sich von der Konkurrenz abgrenzen sollte. Die größten Konkurrenten von Kaiser waren bis in die 50er Jahre hinein Erich Kowalski und Rudolf Zurth, die ihrerseits einen allerdings fiktiven “Internationalen-Ringer-Verband” schufen. Der Hamburger IBV war durch die Eintragung in den Vereinsregister als solcher anerkannt, der von Zurth und Kowalski erschien lediglich zum Zwecke der Reklame und Sensation auf Programmen und Plakaten (frühe 50er Jahre). Die Zusammenarbeit von Zurth und Kowalski erstreckte sich auf einen zeitlichen Rahmen von etwa fünf Jahren, in denen sie phasenweise gemeinsam veranstalteten. Gegen ihre oft über viele Wochen oder gar Monate andauernden Turniere hatten die IBV Veranstalter wie Kaiser und Thumser die ersten Jahre nichts entgegenzusetzen. Die Boomphase des Catchens begann Anfang der 50er Jahre mit Zurths “Ketscher” Turnieren nach Art des freien Stils, wie er seine Veranstaltungen selbst nannte. Die Presse titelte von “Catchen” oder “Kätschen”. Letztlich hat sich die Bezeichnung Catchen bis heute durchgesetzt. Zurth gilt als der Veranstalter, der den freien Stil in der frühen Nachkriegszeit am meisten beeinflusste, zu einem kurzlebigen Erfolg verhalf und letztlich doch an der Sensationsmache seiner Shows kläglich scheiterte. Für Kaiser stand der sportliche Aspekt im Mittelpunkt seiner Veranstaltungen. Das sollte ihn vor dem Untergang bewahren.


      Nico Selenkowitsch, Giant Haystacks und Gustl Kaiser (Bremen, 18.12.1982)

      Mitte der 50er Jahre hatte die immer größere Sensationsmache, diverse Skandale um Prügeleien bei den Turnieren, die hohe “Vergnügungssteuer” und das Jugendverbot für ein vorläufiges Ende der Boomphase gesorgt. Zurth ging Pleite und trat als Veranstalter von der Bühne ab, ein Erich Kowalski konnte noch bis Anfang der 60er Jahre durchhalten. Doch ernsthafte Konkurrenten waren zu diesem Zeitpunkt nach 1955 nicht in Sichtweite. Gustl Kaiser “überlebte” diese schwierige Phase vom Wegfall des Interesses und der Pleite seiner Konkurrenten. Er hatte die Turniere so organisiert, dass eine sportliche Veranstaltung mit kleinen Elementen aus Show und Sensationen entstanden ist. Der Hauptteil seiner Shows galt aber dem sportlichen Aspekt und dem Charakter eines wirklichen Turniers “nach den Regeln des Internationalen-Berufsringkämpfer-Verbandes”, wie er oft und gerne selbst betonte. Doch auch Kaiser musste sich der heftigen Kritik von Presse und Amateurlager in den 50er und 60er Jahren stellen. Die alten Feindschaften waren auch in dieser Zeit nicht verschwunden. Wie schon Jahrzehnte zuvor, so betrachteten die Amateurringer auch jetzt die bezahlte Tätigkeit ihrer “Berufskollegen” äußerst kritisch, die keine echten Meisterschaften austragen würden, sondern nur der Show- und Sensationsmache in den Ring stiegen. Kaiser stellte sich dieser Kritik entgegen und bewies in drei Jahrzehnten als Veranstalter, dass der Berufsringkampf, das deutsche Wrestling, auf ein geordnetes Maß an Show und Sport gestellt werden konnte. Reine Sensationsmache lehnte Kaiser ab, dafür war ihm sein Metier dann doch zu kostbar geworden.

      Als sich das Feld der Veranstalter weitestgehend gelichtet hatte und nur Kaiser als wirklich ernstzunehmender Geschäftsmann in diesem Business übrig blieb, begann er auch in Österreich eine Neuorganisation einzuleiten. Der Hauptgrund, warum der Heumarkt in Wien wieder zu einer Hochburg des Catchens wurde, lag anfangs nicht bei “Schurl” Georg Blemenschütz, sondern bei dessen Förderer Gustl Kaiser, der 1955 sein Erstes von zwei Turnieren in Wien abhielt. Zuvor war die österreichische Szene nämlich genau mit dem gleichen Problem konfrontiert worden, dass die Veranstaltungen durch immer mehr Sensationsmache und der hohen Steuer irgendwann an Attraktivität verloren hatten. Den weiteren Einbruch der Zuschauerzahlen und den völligen Stillstand konnte Kaiser schließlich mit dem “Preis der Nationen” und ein Jahr später mit dem “Großen Preis von Österreich” unterbinden. 1957 übergab er die Organisation der Heumarkt-Turniere an seinen Protégé Georg Blemenschütz, der schon bei Kaisers Turnieren in der damaligen BRD auftrat. Der neue Veranstalter auf dem Heumarkt war nur einer der zahlreichen Berufsringer, die mit Kaiser von Turnier zu Turnier durch Westdeutschland tourten. Dabei bevorzugte Kaiser die Bezeichnung “Freistil-Berufsringkämpfer”, weniger die Proklamation “seiner” Ringer als “Catcher”. Dennoch verzichtete er nicht gänzlich auf die Reklame mit Letztem und veranstaltete auch einige “Catcher-Turniere”. Seine Veranstaltungen konzentrierte Kaiser für heutige Betrachter der Szene vielleicht ungewöhnlich auf Städte wie Münster, Wiesbaden, Mönchengladbach und besonders auf Krefeld und Karlsruhe. Krefeld sollte zu einem seiner Hauptveranstaltungsorte werden, wo er phasenweise sogar zwei Turniere pro Jahr abhielt. Aber auch in München, Köln, Hannover und Hamburg waren seine Turniere zu finden, ob als Haupt- oder Mitorganisator. Europa- und Deutsche Meisterschaften oder die damals auch im Ausland bekannten “All-nations tournaments” mit zahlreichen Stars der europäischen und internationalen Szene machten Kaiser zum bedeutendsten Veranstalter in Mitteleuropa bis in die 70er Jahre hinein.

      Stars der “Kaiser-Promotion” waren z.B. Horst Hoffmann, Hermann Iffland, Mathias Rösges, Paul Berger und Gedeon Gida, später auch Otto Wanz und für eine kurze Phase Roland Bock. Hoffmann gewann während der 60er und 70er Jahre die meisten Turniere und bekam den größten Push. Die Starke Bindung und Abhängigkeit von Kaisers Veranstaltungen machte sich bei Hoffmann auch daran bemerkbar, dass dessen Karriere mit dem Rückzug von Kaiser endete. Aber bei Kaiser kämpften auch zukünftige Stars der Szene, wie ein gewisser Karel Istaz (Karl Gotch) aus Belgien Mitte der 50er Jahre in Krefeld und Karlsruhe. So könnte man eine lange Liste an “Catchern” zusammenstellen bis hin zu Berger, Selenkowitsch und Wanz, die im Prinzip als Nachfolger von Kaiser antraten und die Szene ab den 70er Jahren maßgeblich mitbestimmten. Seit Mitte der 60er Jahre hatten sich Edmund Schober (Hannover) und Nico Selenkowitsch (Bremen, Dortmund) gut am Markt behaupten können. Schober galt da mit seinen langen Turnieren auf dem Schützenplatz in Hannover schon als Großveranstalter. Aber in Punkto Kontinuität und Anzahl der Turniere blieb Kaiser die bestimmende Figur im deutschen Wrestling und der erfolgreichste aller IBV Veranstalter.

      Nach mehr als drei Jahrzehnten im Wrestling entschied sich Kaiser mit Ende 60 zu einem Rückzug aus dem Business. Das Münchner Turnier um den Großen Preis von Bayern 1976 war die letzte große Veranstaltung von Gustl Kaiser, dem in allen wesentlichen Positionen beim IBV Nico Selenkowitsch (Selenkovicz) in Bremen nachfolgen sollte. Nico veranstaltete seine Turniere in Bremen und Dortmund fortan unter dem Banner des Hamburger IBV, dessen Geschäftsstelle von der Elbmetropole an die Weser wechselte. Nico setzte die Tradition nahtlos mit Europa- und Weltmeisterschaften fort. Das Ende der Ära Kaiser markierte auch den Beginn einer neuen Epoche im deutschen Wrestling verbunden mit dem Auftauchen der CWA in den späten 70er Jahren, der Dominanz des VDB (Verband-Deutscher-Berufsringer) unter Paul Berger und schließlich mit den Namen Otto Wanz und Peter William, die die deutsche und österreichische Szene der nächsten zwei Jahrzehnte bis zur Wende des 20. Jahrhunderts bestimmen sollten. Gustl Kaiser kam 1982 zur IBV Weltmeisterschaft nach Bremen angereist. Zusammen mit seinen langjährigen Weggefährten Georg Thumser, Gerhard Schäfer und Bruno Mosig war es eines der letzten Treffen der alten Riege aus längst vergessenen Zeiten. Gustl überreichte dem Sieger des Turniers, Giant Haystacks, den Ehrenkranz und die Siegertrophäe. Einer seiner letzten Auftritte bei einem Catch-Turnier. Als Gustl Kaiser am 02.05.1989 starb, stand Deutschland vor tiefen gesellschaftlichen Veränderungen. Die Wrestling-Szene hatte wieder eine Zeitenwende zu bestehen: die Shows der WWF im Fernsehen, die nachfolgenden Tourneen amerikanischer Wrestler durch Europa und auch die sich beginnende Organisation im deutschen Indy-Bereich mit Namen wie Gerd Völlink, der quasi zu einem der Vorreiter der Independent Szene im deutschen Wrestling werden sollte. Die CWA musste sich mit dem ernstzunehmenden Problem der rückläufigen Zuschauerzahlen auseinandersetzen. Von Jahr zu Jahr war in den 90er Jahren der Rückgang immer ersichtlicher geworden. Als die CWA ihre Pforten schloss, war auch die Ära des Catchens, in der Art wie man es über Jahrzehnte lang kannte, endgültig zu Ende gegangen.

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    • 02.05.2017 - 28. Todestag von Gustl Kaiser

      Zur Erinnerung: heute ist der 28. Todestag von Gustl Kaiser, dem bedeutendsten und erfolgreichsten Promoter/Veranstalter im deutschen Wrestling/Catchen überhaupt. Kurz gesagt, gab es eine "Ära vor Kaiser" und "nach Kaiser" was seine Bedeutung anbelangt. Über 12 Millionen Zuschauer besuchten Kaisers Wrestling-Turniere von den Anfängen in den 1940er Jahren bis zu seinem Rücktritt in der Saison 76/77. Der Große Preis von Bayern 1976 ausgetragen in München war seine letzte große Veranstaltung von ca. 300 Turnieren insgesamt.