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Historische Wrestling Stories/Artikel
Teil 2
WO HÖRT DER SPORT AUF?


"Immer wieder hört man die Meinung, daß dieses Freistilringen mit Sport nichts mehr zu tun hätte. Das gleiche könnte man heute aber fast schon bei jedem Sport sagen. Die Skiläufer, oft 18-bis 20jährige Burschen und Mädel, rasen den Berg im Hundertkilometer-Tempo herunter. Die Jagd nach dem Rekord hat hier die gesunde Sorge um das Leben des Individuums in den Hintergrund gedrängt und es ist sicher nicht Verdienst des Veranstalters, wenn der Skiläufer gesund ans Ziel kommt. Überall ist diesselbe Tendenz zu verfolgen, ganz gleich, ob es sich um einen Fußballer handelt, der von einem Match zum anderen gehetzt wird, den Boxer, den gewissenlose Manager gegen übermächtige Gegner in den Ring stellen, oder den Radfahrer, der an einer "Tour" teilnimmt. Er wird künstlich ernährt und mit allem Raffinement massiert und geknetet. Aus seinem Körper wird das letzte herausgeholt. Wozu? Die Antwort dürfte nicht schwer zu finden sein. Ist das aber alles noch Sport im Sinne des Sports?

Zögert man hier, das Kind beim richtigen Namen zu nennen und verschweigt man nicht schamhaft das Geschäft mit dem fremden Körper? Beim Ringkampf scheut man sich allerdings keineswegs darüber offen zu sprechen und findet ihn deshalb aus genau den gleichen Gründen verwerflich. Reiner Sport kann doch nur Gebrauch des Körpers zur Steigerung, aber nicht zum Raubbau der Kräfte sein. Alles andere aber ist Überbeanspruchung um der Sensation willen. Der einzige Unterschied besteht nur darin, daß man in den angeführten Fällen noch immer von reinem Sport spricht, während wir Berufsringer dies offen zugeben und dennoch ehrlich um den Sieg kämpfen. Scheinbar werden wir deshalb von den anderen Verbänden schief angesehen. Vielleicht steht unserer Geltung aber auch die Tatsache im Wege, daß es bei uns keine Möglichkeit für Funktionäre gibt, mit großartigen Diäten auf Reisen zu gehen. Ist es doch gar nicht selten, daß heute in anderen Sparten auf einen Spitzensportler ein ganzes Dutzend Funktionäre kommt.

Merkwürdigerweise bringen manche Zeitungen im Sportteil wohl in großer Aufmachung, daß das Pferd "Hans Edler von Gstettenhofen" im ersten Einlauf gewonnen hat. Ist das noch ein großer Sieg eines Sportlers, oder aber bereits der Sieg einer Kreatur? Ein Ringerturnier wird dagegen vollkommen übergangen. Ich, und wahrscheinlich auch viele andere Sportfreunde, habe mich dabei oft gefragt, wer nun eigentlich der Sportler ist: Pferd oder Reiter? Meist wird die große Aufmachung damit entschuldigt, daß zu diesem Rennen massenhaft Zuschauer strömen und viele Wettlustige genau über die Form er einzelnen Pferde auf dem Laufenden gehalten werden wollen. Aber das gleiche gilt schließlich auch für den Ringkampf. Bei einem Turnier in New York, London, Paris, Wien oder Berlin sind im Laufe eines Jahres bis zu einer Million Zuschauer anzutreffen. Von mangelndem Interesse der Leser kann man also in diesem Fall kaum sprechen. Dennoch wird hier weiterhin mit zweierlei Maß gemessen.

Wirtschaftlich gesehen ist das Ringen heute ein ernst zunehmender Faktor, der tausenden Leuten Arbeit gibt. Das dabei dem arbeitenden Menschen eine Entspannung geboten wird, die ihn für kurze Zeit die Mühen des Tages vergessen läßt, soll nur am Rande erwähnt werden. Die Besucherzahlen allein sprechen eine deutliche Sprache, denn wenn das Publikum mit dem Ringen nicht einverstanden wäre, würde es kaum in derartigen Massen anrücken. Dies sollte auch die ärgsten Feinde des Freistils nachdenklich stimmen."

Fortsetzung morgen...
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Sehr schöner Artikel bislang. Da freu ich mich schon drauf, wenn der fertig ist!
Lässt sich bislang auch wieder sehr gut und flüssig lesen!! Daumen hoch Daumen hoch
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Klingt so, als wenn du denkst, dass ich ihn geschrieben habe. Breites Grinsen Ist aber nicht von mir. :winke:
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Achso, du tippst ihn "nur" ab. Dachte du hast den nur als Vorlage und als Recherche Mittel so genommen... :winke:

Aber ich freu mich trotzdem noch auf die Fortsetzung ;)
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(Ein Datum ist bei mir nicht verzeichnet. Dieser Bericht von Felix Kerschitz ist wohl aus den 60er Jahren, oder sogar noch älter.)

Teil 3
"KONKURRENZ DER VERANSTALTER"


"Wenn der Ringkampf heute teilweise in Verruf gekommen ist, weil das Geschäft auf jeden Fall in manchen Fällen den Vorzug erhalten hat, dann liegt dies sicher am wenigsten im Willen des einzelnen Ringers. Es ist für ihn leider nicht immer leicht, due Wünsche des Veranstalters und die der Öffentlichkeit zu vereinbaren. Trotzdem wird er sich immer bemühen schöne und interessante Kämpfe zu liefern. Im allgemeinem kommen auch kaum Auswüchse vor. Schlimm wird es erst, wenn mehrere Veranstalter zur gleichen Zeit Großveranstaltungen aufziehen wollen, wie ein von mir selbst erlebter Fall deutlich zeigt.

Zwei der größten und bekanntesten Ringer wurden einmal für eine Großveranstaltung in einer französischen Stadt zu einem Titelkampf verpflichtet. Als der Konkurrenzunternehmer von diesem Plan hörte, setzte er sich sofort ins Flugzeug, um die betreffenden Ringer von diesem Kampf abzuhalten. Er bot beiden die doppelte Gage, wenn sie krank oder unabkömmlich wären. Diese üble Praktik führte leider zum Erfolg. Der erste Veranstalter verlor ein kleines Vermögen und konnte den verschobenen Kampf nicht mehr abhalten. Nun trat sein Konkurrent neuerlich auf den Plan und verpflichtete die beiden zu dem geplanten Titelkampf. Die Folge war aber auch hier ein riesiges Defizit, da die Zuschauer das Vertrauen verloren hatten. Beide Kämpfer waren prozentual an den Einnahmen beteiligt gewesen. Sie hatten nicht nur diesen Verlust zu ertragen, sondern auch für längere Zeit ihre Zugkraft verloren. Das Publikum war verärgert und man sprach wieder einmal von Schiebung.

Um solchen Vorfällen vorzubeugen, wäre es notwendig, einen europäischen Verband zu schaffen. Leider ist dies zur Zeit unmöglich, da kein Landesverband der Berufsringer sich einem anderen Landesverband unterstellen will. Jeder Verband hat seine lizenzierten Veranstalter, die ihre besten Leute gerade irgendwo beschäftigt haben Meist laufen ja zur gleichen Zeit in Europa mehrere Ringerturniere und es wäre kaum möglich, ein bestimmtes Turnier mit den wirklich besten Ringern zu beschicken. Der einzige Ausweg wären Veranstaltungen eines einzelnen Kampfabends zum Zwecke von Titelkämpfen, wie dies beim Boxen der Fall ist. Dazu müßte vorerst die Saison über das ganze Jahr hinaus ausgedeht werden, wofür es allerdings im zerbomten Deutschland und auch in Östereich noch immer an geeigneten Hallen fehlt. Kein Besucher könnte einen Eintrittspreis von 8.-bis 50.DM bezahlen, um die Spesen zu decken. Bevor hier nicht Abhilfe geschaffen wird, muß es wohl oder übel weiterhin der Tüchtigkeit und Zahlungsfähigkeit der einzelnen Veranstalter überlassen werden, erstklassige Turniere aufzuziehen. Damit wird es aber, was man uns immer wieder vorwirft in diesem Sport meist zwei bis drei Europameister und ebenso viele Weltmeister geben. Amerika nennt seit 5 Jahren einen der allergrößten Könner, den 2m großen und 180kg schweren Frank Sexton Weltmeister. Daneben wird aber auch Jim Londos und dem riesigen Italiener Primo Carnera der gleiche Titel zuerkannt. In England führt man Assirati als Weltbesten an, in Deutschland Hans Schwarz. Leider könnte über diese Qualifikationen nur das Aufeinandertreffen dieser Konkurrenten entscheiden. Die oben angeführten Gründe machen dies aber nach wie vor unmöglich."

Fortsetzung morgen...
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Zitat:Original von Ronald Großpietsch
(Ein Datum ist bei mir nicht verzeichnet. Dieser Bericht von Felix Kerschitz ist wohl aus den 60er Jahren, oder sogar noch älter.)

der allergrößten Könner, den 2m großen und 180kg schweren Frank Sexton Weltmeister. Daneben wird aber auch Jim Londos und dem riesigen Italiener Primo Carnera der gleiche Titel zuerkannt. In England führt man Assirati als Weltbesten an, in Deutschland Hans Schwarz. Leider könnte über diese Qualifikationen nur das Aufeinandertreffen dieser Konkurrenten entscheiden. Die oben angeführten Gründe machen dies aber nach wie vor unmöglich."

Fortsetzung morgen...

Na ja Sexton war Mitte der 40iger Champion und für Londos bzw. Carnera gilt das gleiche. Ist wahrscheinlich doch älter der Bericht.

D.S.K.
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Ich rätsel bei Londos ja immer noch, ob der 46 den Titel wirklich abgegeben hat. Aber Chapman sagt ja, von daher beuge ich mich. Breites Grinsen
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Teil 4
"WARUM MAN VON SCHIEBUNG SPRICHT"

"Solange ein erstklassiger Ringer seine Kämpfe gewinnt, ist alles in Ordnung. Manchmal kommt es aber vor, daß der Star seinen Kampf gegen einen Außenseiter verliert, und schon ist man geneigt, von Schiebung zu sprechen. Überraschende Niederlagen gibt es auch in anderen Sportarten. Niemand verlangt z.B. von Gino Bartali oder Fausto Coppi, um die berühmtesten Radfahrer der Jetztzeit zu nennen, daß sie bei jedem Rennen in der Spitzengruppe landen. Aber ein Bartali oder Coppi in Hochform muß oder wird sich manchmal mit einem 30. oder 40. Platz begnügen. Vielleicht schonen sie gerade ihre Kräfte für schwerere Rennen. Man kann es Taktik, aber niemals Schiebung nennen. Bei uns Ringern ist das leider nach der Ansicht der Öffentlichkeit immer nur umgekehrt.

Es ist ohne weiteres möglich, daß der gute Ringer gegen einen Außenseiter verliert. Ob Ringer oder Publikum, beide nehmen eben den Gegner nicht ernst genug. Freilich, die Gründe sind verschieden: Der gute Ringer fühlt sich über den Gegner erhaben und spielt mit ihm, das Publikum aber wittert eine Schiebung, weil es nicht glauben kann, daß der kleine Außenseiter den Championissimo auf reelle Art wirklich besiegen konnte. Dabei ist dies nur allzu leicht der Fall. Auch ich habe in meiner langen Laufbahn als Berufsringer fast nur gegen Außenseiter verloren. Alles nur, weil ich gegen sie zu unvorsichtig gewesen bin.

Würden nun wirklich zwei gleich starke Cracks aufeinandertreffen, dann wäre damit meist weder dem Veranstalter noch dem Zuschauer gedient. Sind die beiden Stars Turnierteilnehmer, dann warten die Anhänger ja nur auf dieses eine Treffen. Umgekehrt, bricht endlich der große Tag an, dann ist das Haus wohl ausverkauft, aber das Publikum meist enttäuscht, weil die beiden Meister sehr, sehr vorsichtig ringen würden, um sich ja nicht auch nur die kleinste Blöße zu geben. Und schon würde man wieder von Schiebung sprechen. Veranstalter und Zuschauer wären den Ringern böse, weil sie nichts riskieren wollten. Man bedenke aber, auch dem großen Star ist das Hemd näher als der Rock. Ein einziger falscher Griff kann seine Gage auf die Hälfte verringern. Die Niederlage, für die wahrscheinlich nur die Tagesform ausschlaggebend war, ist nicht mehr zu korrigieren. Zu viele Kleinigkeiten spielen für den Ausgang der Begegnung eine Rolle. Vielleicht ist der Besiegte gerade nicht in Form oder hat am Vortag einen starken Gegner gehabt, während der Sieger gerade ein Freilos gezogen hat.

Meist ist der Unterschied zwischen beiden ja nicht so groß, wie man allgemein glaubt. Auch beim Stemmen gibt es z.B. in Europa mehr als zehn Leute der selben Gewichtsklasse, die in ihren Leistungen nur um einen halben oder ein Kilogramm auseinanderliegen. Dennoch kennt die internationale Sportwelt höchstens den Ersten und den Zweiten nach dem Namen. Beim Boxen ist es ähnlich. Welcher Europameister könnte von sich behaupten, daß er den kleinen Landesmeister X in ein bis zwei, oder höchstens drei Minuten k.o. schlagen würde. Wir leben heute in einer Zeit, die sportlich so entwickelt ist, daß man fast von einem Höhepunkt sprechen könnte, wenn man nicht täglich in den Zeitungen immer wieder von neuen Rekorden lesen würde. Warum sollte da nicht auch einmal beim Ringen ein neuer Mann auftauchen?"

Fortsetzung morgen...
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Teil 5
"KÜNSTLERNAMEN"


"Auf der Witzseite einer Illustrierten habe ich einmal ein Bild gesehen, das den Nagel auf den Kopf getroffen hat: eine Artistengruppe unter dem Namen der "25 Brüder Romanov" baute auf der Bühne eine Pyramide. Der Untermann hält allein alle 24 Artisten mit den Armen, Beinen und dem Körper fre in der Luft. Darauf eine Stimme aus dem Publikum:"Schiebung! Das sind ja gar keine Brüder..."- Auch beim Ringen sind sogenannte Künstlernamen durchaus gebräuchlich, ohne deshalb auf die Leistung des Trägers irgendwelchen Einfluß zu haben. Ein Ringer, der in Wirklichkeit Krzcmrsky heißt, wird sich aus begreiflichen Gründen lieber Siegfried Kraft nennen. Erfährt dies vielleicht ein findiger Reporter durch den Hotelportier, ist auch schon die Schlagzeile von der Schiebung fertig. Dabei übertrifft auch hier der Zufall manchmal die geschickteste Regie des Veranstalters. Ein Aufsehen erregender Fall soll das illustrieren.

Vor einigen Jahren war am Wiener Heumarkt ein großes Turnier der Halb-und Schwergewichte im Gange. Eines Tages spazierte ein asiatisch aussehender junger Mann, der höchstens 75kg wiegen konnte, in das Büro des Veranstalters. "Ich mitringen", radebrechte er. Der Veranstalter lachte ihn aus und erklärte ihm, mit diesem Gewicht wäre er höchstens als zahlender Zuschauer zu verwenden. Dann schob er ihn sanft aus dem Büro. Drei Tage lang - denn drei Tage hindurch versuchte sich der schlitzäugige junge Mann, soweit es sein spärlicher Wortschatz erlaubte, mit dem Veranstalter zu verständigen. Umsonst! Am vierten Tag, als sich das erste Paar gerade zum Antreten fertig machte, kam unser junger Mann gleich komplett ausgezogen in die Garderobe des Heumarktes. Schlitzäugig, mit asiatischem Haarschnitt, einen chinesischen Kimono übergeworfen, stellte er sich den Ringern vor: "Ich mitringen!" Daraufhin hallten natürlich die Wände vom Gelächter der schweren Brocken wider. Ob er denn glaube, daß hier ein internationales Knabentreffen oder gar ein Wettstreit im Sackhüpfen ausgetragen würde? Doch seine Beharrlichkeit führte endlich zum Ziel. Am nächsten Tag erhielt der Jüngling seinen ersten Kampf. Zur besseren Verständigung brachte er einen Zettel, auf dem er seinen Namen aufgeschrieben hatte: Bo-Ga-Tshi. Das war alles, was man von ihm wußte.

Der schlechteste Ringer wurde ihm als Gegner gegeben. Ich habe mir den Kampf gar nicht erst angesehen. Der Ausgang konnte doch nicht zweifelhaft sein! Diejenigen von uns, die am meisten gelacht hatten, machten gar bald die längsten Gesichter. Nach zwei Minuten kam Bo-Ga-Tshi schon wieder in die Garderobe zurück - ein unergründlich lächelnder Sieger. Am zweiten Tag sahen wir bereits alle zu. Der Mann war eine Sensation. Im Handumdrehen hatte er elf Kämpfe hintereinander gewonnen und uns durch eine ganz neue Technik verblüfft! Er ließ sich überhaupt nicht anfassen, dafür fielen aber seine Jiu-Jitsu-Schläge wie ein Blitz aus heiterem Himmel auf den Gegner. Nur ganz große Ringer mit jahrelanger Erfahrung hatten damals gegen Bo-Ga-Tshi eine Chance. Als sich zum Schluß herausstellte, daß Bo-Ga-Tshi kein Siamnese, sondern ein Ungar war, war der Skandal fertig.

Warum? Das wußte niemand. Seine Leistung war einmalig. Das Bo-Ga-Tshi nicht sein richtiger Name war, konnte diese nicht schmälern. Das Gerücht, daß sein Können genau wie sein Name Schwindel wären, machte seiner Karriere ein jähes Ende. Mit diesen offenen Zeitungsangriffen verdächtigte man aber nicht nur den Siamnesen aus Ungarn, sondern auch die Veranstalter und sämtliche Ringer des Turniers aus reiner Sensationslust einer Schiebung, was für den Ringsport damals ein schwerer Schlag war. Wie immer waren wir machtlos. Bo-Ga-Tshi hatte mit den Bindestrichen zwischen seinem Namen Bogatschy nicht nur die Turnierleitung, sondern auch die Ringer geblufft. Eine unerhörte psychologische Leistung! Denn wenn wir es auch damals nicht zugeben wollten, wir hatten alle immer ein ganz eigenartiges Gefühl, wenn wir gegen diesen Mann im Ring standen. Sein Aufputz, seine fremdländischen Gesichtszüge machten den Mann im Verein mit den unerhört raschen Handkantenschlägen zum unüberwindlichen Gegner. So lange, bis er seine erste Niederlage bekam. Dann war es mit ihm vorbei. Sein Nimbus und seine Anonymität waren dahin.

Und wieder rauschte es durch den Blätterwald. Natürlich nur im "Interesse" der Leser. Die Auflage einer einzigen Wiener Zeitung stieg in dieser Woche gleich um 30%. Merkwürdigerweise hatte man vierzehn Tage vorher, obwohl doch täglich 10.000 Besucher auf den Heumarkt gekommen waren, für die Ringer und den Star Bo-Ga-Tshi nicht eine einzige Zeile übrig gehabt. Jetzt war es natürlich anders. Man konnte endlich wieder eine Schiebung konstruieren!"

Fortsetzung morgen...
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Teil 6
"AUCH WIR HABEN UNSEREN EHRGEIZ"


"Ich lege keinen Wert darauf, als besonders gescheit zu gelten und mich meinen Lesern unbedingt als Schriftsteller aufzudrängen. Ich schreibe dieses Heft ja nur, um unseren Sport von all den jahrelangen Verdächtigungen zu reinigen. Das ich mich dabei mit der Presse auseinandersetzen muss, ist nicht meine Schuld. Nicht ich habe schließlich das Wort Schiebung erfunden. Wenn 110kg schwere Leute auf die Matte geschleudert werden, dass der Ring und manchmal auch die Knochen krachen, oder Ringer, welche für ein Turnier zu schwach sind, nach kurzer Zeit wieder herausgenommen werden, ohne allzuviel verdient zu haben, kann man wohl kaum das Wort Schwindel gebrauchen.

Jeder Berufsringer war ja auch in seiner Amateurzeit ein außergewöhnlich guter Sportler. Sonst würde er kaum den sonderbaren Ehrgeiz haben, sich auf diese harte Weise sein Brot zu verdienen. Aber auch als Professional hat der Ringer stets das Bestreben zu siegen. Ich erinnere nur an den großen Schweizer Ringer Gottfried Grüneisen, der monatelang eine Niederlage nicht überwinden konnte. Noch vor wenigen Jahren kannte man den bekannten Ringer Ivar Martinson als einen der ehrgeizigsten Catcher überhaupt. Wenn dem Schweden Axel Cadier bei einem Kampf etwas mißlungen war, ging er stets ohne Abendessen ins Bett und haderte tagelang mit seinem Geschick.

Budrus, ein deutscher Ringer der Vorkriegszeit, hatte einmal in Tripolis nur den zweiten Platz gemacht. Auf der Rückreise begleitete ihn sein deutscher Kamerad Plofus. Auf dieser drei Tage dauernden Fahrt sprach Budrus nicht ein einziges Wort. Nur, um endlich einmal das Schweigen zu brechen, sagte Plofus hinausdeutend: "Sieh mal, ein Hase!" "Halt endlich die Schnauze!", war die einzige Antwort von Budrus. Ein Ausspruch, der als Beweis für den Ehrgeiz des Deutschen in die Chronik des Ringes eingegangen ist.

Auch ein anderer Vorfall spiegelt den Ehrgeiz der Ringer deutlich wider: Martinson ging mit dem deutschen Meister Max Walloschke einmal auf dem Hamburger Jungfernstieg spazieren. Man kam dabei auch auf die Popularität der einzelnen Ringer zu sprechen. Martinson zog Walloscke ein bißchen mit seiner Eitelkeit auf. Walloscke behauptete sofort, hier kenne ihn jeder Jung auf der Straße. Das würde er Martinson gleich beweisen. Walloschke rief einen kleinen Jungen herbei und sagte zu Martinson, er möge den Jungen fragen, wer der bekannteste Sportler Deutschlands sei. Martinson fragte also: "Hannes, kennst Du Gottfried von Cram?" - "Nee", sagte der Junge. "Aber Max Schmeling kennste doch?" Wieder war ein entschiedenes "Nee" die Antwort. "Aber von Max Walloschke hast du sicher schon gehört?" Max zog sein Bulldoggengesicht erwartungsvoll in freundliche Falten und nickte dem Jungen aufmunternd zu. "Nee, Herr Martinson!" Nach dieser Antwort konnte Max das Wort Popularität begreiflicherweise lange nicht mehr hören.

Rudolf Zurth, einer der ältesten und größten Veranstalter Deutschlands sagte einmal, die seltsamsten und unterschiedlichsten Typen fände man merkwürdigerweise immer bei den Berufsringern. Das stimmt natürlich in gewisser Weise. Wahrscheinlich sind ja auch in keinem anderen Beruf so viele Rassen und Nationalitäten auf gedrängtem Raum beisammen. Wer sie näher kennenlernt, merkte aber bald, dass auch Ringer durchaus umgängliche Menschen sein können. Ich kenne überhaupt nur einen einzigen Ringer, der nie ein freundliches Wort für jemanden hatte, den Perser Mohammed Jesuf. Mohammed war allerdings, zu seiner Entschuldigung sei es gesagt, ständig von seinen drei legitimen Frauen begleitet."

Fortsetzung folgt...
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