16.03.2010, 22:17
Teil 4
"WARUM MAN VON SCHIEBUNG SPRICHT"
"Solange ein erstklassiger Ringer seine Kämpfe gewinnt, ist alles in Ordnung. Manchmal kommt es aber vor, daß der Star seinen Kampf gegen einen Außenseiter verliert, und schon ist man geneigt, von Schiebung zu sprechen. Überraschende Niederlagen gibt es auch in anderen Sportarten. Niemand verlangt z.B. von Gino Bartali oder Fausto Coppi, um die berühmtesten Radfahrer der Jetztzeit zu nennen, daß sie bei jedem Rennen in der Spitzengruppe landen. Aber ein Bartali oder Coppi in Hochform muß oder wird sich manchmal mit einem 30. oder 40. Platz begnügen. Vielleicht schonen sie gerade ihre Kräfte für schwerere Rennen. Man kann es Taktik, aber niemals Schiebung nennen. Bei uns Ringern ist das leider nach der Ansicht der Öffentlichkeit immer nur umgekehrt.
Es ist ohne weiteres möglich, daß der gute Ringer gegen einen Außenseiter verliert. Ob Ringer oder Publikum, beide nehmen eben den Gegner nicht ernst genug. Freilich, die Gründe sind verschieden: Der gute Ringer fühlt sich über den Gegner erhaben und spielt mit ihm, das Publikum aber wittert eine Schiebung, weil es nicht glauben kann, daß der kleine Außenseiter den Championissimo auf reelle Art wirklich besiegen konnte. Dabei ist dies nur allzu leicht der Fall. Auch ich habe in meiner langen Laufbahn als Berufsringer fast nur gegen Außenseiter verloren. Alles nur, weil ich gegen sie zu unvorsichtig gewesen bin.
Würden nun wirklich zwei gleich starke Cracks aufeinandertreffen, dann wäre damit meist weder dem Veranstalter noch dem Zuschauer gedient. Sind die beiden Stars Turnierteilnehmer, dann warten die Anhänger ja nur auf dieses eine Treffen. Umgekehrt, bricht endlich der große Tag an, dann ist das Haus wohl ausverkauft, aber das Publikum meist enttäuscht, weil die beiden Meister sehr, sehr vorsichtig ringen würden, um sich ja nicht auch nur die kleinste Blöße zu geben. Und schon würde man wieder von Schiebung sprechen. Veranstalter und Zuschauer wären den Ringern böse, weil sie nichts riskieren wollten. Man bedenke aber, auch dem großen Star ist das Hemd näher als der Rock. Ein einziger falscher Griff kann seine Gage auf die Hälfte verringern. Die Niederlage, für die wahrscheinlich nur die Tagesform ausschlaggebend war, ist nicht mehr zu korrigieren. Zu viele Kleinigkeiten spielen für den Ausgang der Begegnung eine Rolle. Vielleicht ist der Besiegte gerade nicht in Form oder hat am Vortag einen starken Gegner gehabt, während der Sieger gerade ein Freilos gezogen hat.
Meist ist der Unterschied zwischen beiden ja nicht so groß, wie man allgemein glaubt. Auch beim Stemmen gibt es z.B. in Europa mehr als zehn Leute der selben Gewichtsklasse, die in ihren Leistungen nur um einen halben oder ein Kilogramm auseinanderliegen. Dennoch kennt die internationale Sportwelt höchstens den Ersten und den Zweiten nach dem Namen. Beim Boxen ist es ähnlich. Welcher Europameister könnte von sich behaupten, daß er den kleinen Landesmeister X in ein bis zwei, oder höchstens drei Minuten k.o. schlagen würde. Wir leben heute in einer Zeit, die sportlich so entwickelt ist, daß man fast von einem Höhepunkt sprechen könnte, wenn man nicht täglich in den Zeitungen immer wieder von neuen Rekorden lesen würde. Warum sollte da nicht auch einmal beim Ringen ein neuer Mann auftauchen?"
Fortsetzung morgen...
"WARUM MAN VON SCHIEBUNG SPRICHT"
"Solange ein erstklassiger Ringer seine Kämpfe gewinnt, ist alles in Ordnung. Manchmal kommt es aber vor, daß der Star seinen Kampf gegen einen Außenseiter verliert, und schon ist man geneigt, von Schiebung zu sprechen. Überraschende Niederlagen gibt es auch in anderen Sportarten. Niemand verlangt z.B. von Gino Bartali oder Fausto Coppi, um die berühmtesten Radfahrer der Jetztzeit zu nennen, daß sie bei jedem Rennen in der Spitzengruppe landen. Aber ein Bartali oder Coppi in Hochform muß oder wird sich manchmal mit einem 30. oder 40. Platz begnügen. Vielleicht schonen sie gerade ihre Kräfte für schwerere Rennen. Man kann es Taktik, aber niemals Schiebung nennen. Bei uns Ringern ist das leider nach der Ansicht der Öffentlichkeit immer nur umgekehrt.
Es ist ohne weiteres möglich, daß der gute Ringer gegen einen Außenseiter verliert. Ob Ringer oder Publikum, beide nehmen eben den Gegner nicht ernst genug. Freilich, die Gründe sind verschieden: Der gute Ringer fühlt sich über den Gegner erhaben und spielt mit ihm, das Publikum aber wittert eine Schiebung, weil es nicht glauben kann, daß der kleine Außenseiter den Championissimo auf reelle Art wirklich besiegen konnte. Dabei ist dies nur allzu leicht der Fall. Auch ich habe in meiner langen Laufbahn als Berufsringer fast nur gegen Außenseiter verloren. Alles nur, weil ich gegen sie zu unvorsichtig gewesen bin.
Würden nun wirklich zwei gleich starke Cracks aufeinandertreffen, dann wäre damit meist weder dem Veranstalter noch dem Zuschauer gedient. Sind die beiden Stars Turnierteilnehmer, dann warten die Anhänger ja nur auf dieses eine Treffen. Umgekehrt, bricht endlich der große Tag an, dann ist das Haus wohl ausverkauft, aber das Publikum meist enttäuscht, weil die beiden Meister sehr, sehr vorsichtig ringen würden, um sich ja nicht auch nur die kleinste Blöße zu geben. Und schon würde man wieder von Schiebung sprechen. Veranstalter und Zuschauer wären den Ringern böse, weil sie nichts riskieren wollten. Man bedenke aber, auch dem großen Star ist das Hemd näher als der Rock. Ein einziger falscher Griff kann seine Gage auf die Hälfte verringern. Die Niederlage, für die wahrscheinlich nur die Tagesform ausschlaggebend war, ist nicht mehr zu korrigieren. Zu viele Kleinigkeiten spielen für den Ausgang der Begegnung eine Rolle. Vielleicht ist der Besiegte gerade nicht in Form oder hat am Vortag einen starken Gegner gehabt, während der Sieger gerade ein Freilos gezogen hat.
Meist ist der Unterschied zwischen beiden ja nicht so groß, wie man allgemein glaubt. Auch beim Stemmen gibt es z.B. in Europa mehr als zehn Leute der selben Gewichtsklasse, die in ihren Leistungen nur um einen halben oder ein Kilogramm auseinanderliegen. Dennoch kennt die internationale Sportwelt höchstens den Ersten und den Zweiten nach dem Namen. Beim Boxen ist es ähnlich. Welcher Europameister könnte von sich behaupten, daß er den kleinen Landesmeister X in ein bis zwei, oder höchstens drei Minuten k.o. schlagen würde. Wir leben heute in einer Zeit, die sportlich so entwickelt ist, daß man fast von einem Höhepunkt sprechen könnte, wenn man nicht täglich in den Zeitungen immer wieder von neuen Rekorden lesen würde. Warum sollte da nicht auch einmal beim Ringen ein neuer Mann auftauchen?"
Fortsetzung morgen...
