29.03.2010, 14:16
"Im Würgegriff könnte man Gitarre spielen"
Ein Catcher packt aus
Bild-Zeitung 07. September 1955
"Ein Catcher packt aus! Pedro Avalos, 1950 noch spanischer Champion der Amateure im Fliegengewicht, später dann in den großen Berufsinger-Turnieren in Paris, London, Rom und Berlin Verdiener von Tagesgagen bis zu 70 DM, hat das Leben als "wilder Mann" satt!
Er will sich in Zukunft wieder einem bürgerlichen Beruf zuwenden. Allerdings nicht, ohne vorher die Wahrheit gesagt zu haben. Und er versicherte Bild, daß es die reine, lautere aber bittere Wahrheit sei...
Avalos, inzwischen 30kg schwerer als in seiner Amateurzeit, die ihn einst mit dem heutigen Weltmeister Ignazio Fabra (Italien) zusammenführte, ist von den deutschen Veranstaltern bitter enttäuscht worden. "Die Zuschauer werden betrogen", radebrecht er. Und dann kommen seine Aussagen, die er mit heftigen Gesten unterstreicht: Die Angabe der Nationalitäten der einzelnen Ringer ist zumeist unwahr! Der größte Teil der Catcher kommt aus Frankreich, wo die Zentrale des Berufsringertums ist. Der Hamburger Grimm kämpft in Lübeck z.B. als Abdul Karim (Tunesien), der Italiener Morandi tritt als Kanadier auf, der Franzose Dr. Vitos läuft unter Tunesien, Bill Virag (Frankreich) wird als Amerikaner angekündigt und der Belgier Chenok ließ sich die Haare schneiden und tritt seitdem als "böser Ungar" auf.
Die Veranstalter verkünden, ihre Turniere ständen unter Aufsicht der Central Organisation der Catcher. Avalos sagt: "Das ist eine Lüge! Es gibt keine Organisation, in der wir zusammengeschlossen sind." Die Turniere sind also wild. Auch die englische O.K. - Organisation, deren Vertreter sich in Hamburg großer Beliebtheit erfreuen, existiert nicht. Die starken OK I, II und fortlaufend sind vielmehr eine Attraktion der Veranstalter. Jeder Kampf wird vorher in der Kabine abgesprochen und die genaue Rundenzahl festgelegt. Die Kämpfer teilen sich dabei ihre Griffe mit, die sie anbringen werden.
Dazu Avalos: "Wenn einer aus Versehen seinen Gegner etwas härter als gewollt anfaßt, entschuldigt er sich hinterher dafür." Wer sich den Anordnungen widersetzt, ist praktisch ein "toter Mann", genau wie der, der sich vielleicht ein Bein brechen sollte. Für ihn gibt es eine Woche lang Almosen, danach höchstens einige nette Worte - und moralische Ohrfeigen. In Berlin brauchte man einen neuen, zugkräftigen Mann. Man fand ihn in Al Hoosman (USA), Ex-Boxer mit großen Worten ("Ich hätte ihn geschlagen, wenn ich gedurft hätte", sagte er nach seiner Punktniederlage gegen Neuhaus). Veranstalter Barothy rief alle Ringer zusammen und erklärte: "Wir werden ihm das Ringen beibringen. Damit es die Zuschauer nicht merken, müßt ihr euch bereits nach wenigen Sekunden hinlegen....
Es werden Gagen bis zu 50 DM verdient, kleinere Leute begnügen sich mit 15 DM pro Abend. Davon erhält der Kämpfer längst nicht alles. Steuern, Abgaben einige undefinierbare Organisationen fressen einen erheblichen Teil.
Und die so gewaltig aussehenden Griffe? "Nichts als Theater!" sagt Avalos. "Schlagen Sie sich mit der Hand auf einen schweißnassen Körperteil, Sie werden merken, wie das klatscht." Der Spanier demonstrierte einleuchtend die Tricks. "Das Geheimnis des Würgers? Es gibt keins. Wenn man sich in seinem Griff befindet, könnte man zur gleichen Zeit auch Gitarre spielen. So aber muß man das Gesicht zur Fratze verziehen. Es wird gewünscht."
Avalos hat die Nase voll. Er macht Schluß. Und die anderen? Sie catchen weiter, bis auch ihre Uhr abgelaufen ist. "Die Veranstalter verdienen das große Geld, wir gehen leer aus. Im deutschen Berufsringen herrscht keine Gerechtigkeit mehr", waren die letzten Worte des Spaniers, der nun sein Glück zusammen mit Frau Margarete woanders suchen will."
Ein Catcher packt aus
Bild-Zeitung 07. September 1955
"Ein Catcher packt aus! Pedro Avalos, 1950 noch spanischer Champion der Amateure im Fliegengewicht, später dann in den großen Berufsinger-Turnieren in Paris, London, Rom und Berlin Verdiener von Tagesgagen bis zu 70 DM, hat das Leben als "wilder Mann" satt!
Er will sich in Zukunft wieder einem bürgerlichen Beruf zuwenden. Allerdings nicht, ohne vorher die Wahrheit gesagt zu haben. Und er versicherte Bild, daß es die reine, lautere aber bittere Wahrheit sei...
Avalos, inzwischen 30kg schwerer als in seiner Amateurzeit, die ihn einst mit dem heutigen Weltmeister Ignazio Fabra (Italien) zusammenführte, ist von den deutschen Veranstaltern bitter enttäuscht worden. "Die Zuschauer werden betrogen", radebrecht er. Und dann kommen seine Aussagen, die er mit heftigen Gesten unterstreicht: Die Angabe der Nationalitäten der einzelnen Ringer ist zumeist unwahr! Der größte Teil der Catcher kommt aus Frankreich, wo die Zentrale des Berufsringertums ist. Der Hamburger Grimm kämpft in Lübeck z.B. als Abdul Karim (Tunesien), der Italiener Morandi tritt als Kanadier auf, der Franzose Dr. Vitos läuft unter Tunesien, Bill Virag (Frankreich) wird als Amerikaner angekündigt und der Belgier Chenok ließ sich die Haare schneiden und tritt seitdem als "böser Ungar" auf.
Die Veranstalter verkünden, ihre Turniere ständen unter Aufsicht der Central Organisation der Catcher. Avalos sagt: "Das ist eine Lüge! Es gibt keine Organisation, in der wir zusammengeschlossen sind." Die Turniere sind also wild. Auch die englische O.K. - Organisation, deren Vertreter sich in Hamburg großer Beliebtheit erfreuen, existiert nicht. Die starken OK I, II und fortlaufend sind vielmehr eine Attraktion der Veranstalter. Jeder Kampf wird vorher in der Kabine abgesprochen und die genaue Rundenzahl festgelegt. Die Kämpfer teilen sich dabei ihre Griffe mit, die sie anbringen werden.
Dazu Avalos: "Wenn einer aus Versehen seinen Gegner etwas härter als gewollt anfaßt, entschuldigt er sich hinterher dafür." Wer sich den Anordnungen widersetzt, ist praktisch ein "toter Mann", genau wie der, der sich vielleicht ein Bein brechen sollte. Für ihn gibt es eine Woche lang Almosen, danach höchstens einige nette Worte - und moralische Ohrfeigen. In Berlin brauchte man einen neuen, zugkräftigen Mann. Man fand ihn in Al Hoosman (USA), Ex-Boxer mit großen Worten ("Ich hätte ihn geschlagen, wenn ich gedurft hätte", sagte er nach seiner Punktniederlage gegen Neuhaus). Veranstalter Barothy rief alle Ringer zusammen und erklärte: "Wir werden ihm das Ringen beibringen. Damit es die Zuschauer nicht merken, müßt ihr euch bereits nach wenigen Sekunden hinlegen....
Es werden Gagen bis zu 50 DM verdient, kleinere Leute begnügen sich mit 15 DM pro Abend. Davon erhält der Kämpfer längst nicht alles. Steuern, Abgaben einige undefinierbare Organisationen fressen einen erheblichen Teil.
Und die so gewaltig aussehenden Griffe? "Nichts als Theater!" sagt Avalos. "Schlagen Sie sich mit der Hand auf einen schweißnassen Körperteil, Sie werden merken, wie das klatscht." Der Spanier demonstrierte einleuchtend die Tricks. "Das Geheimnis des Würgers? Es gibt keins. Wenn man sich in seinem Griff befindet, könnte man zur gleichen Zeit auch Gitarre spielen. So aber muß man das Gesicht zur Fratze verziehen. Es wird gewünscht."
Avalos hat die Nase voll. Er macht Schluß. Und die anderen? Sie catchen weiter, bis auch ihre Uhr abgelaufen ist. "Die Veranstalter verdienen das große Geld, wir gehen leer aus. Im deutschen Berufsringen herrscht keine Gerechtigkeit mehr", waren die letzten Worte des Spaniers, der nun sein Glück zusammen mit Frau Margarete woanders suchen will."
