13.04.2010, 22:20
Magdeburger General-Anzeiger vom 28.07.1911
"Ein Ringkampf im Gerichtssaal"
"In den Vorstädten der deutschen Reichshauptstadt, insbesondere in denen die Arbeiterbevölkerung überwiegt, ist zur Sommerzeit vielfach ein sehr lebhaftes Treiben zu beobachten. Es bilden sich sogenannte Rummelplätze, auf denen man ohrenbetäubende Musik, Lärmen und Schreien vernimmt. Auf den Karussels belustigt sich die Jugend. Eine Anzahl Buden ladet das Publikum zu allen möglichen "interessanten Sehenswürdigkeiten" ein, Ringkämpfer und Gymnastiker kündigen ihre Kräfte an. Ein solcher Ringkämpfer von dem Rummelplatz am Urban, der dreißigjährige, verheiratete Rudolf Zimmer, wurde auf die Anklagebank der vierten Strafkammer des Landgerichts Berlin II geführt. Als Zeuginnen waren vier kleine Schulmädchen erschienen. Mit denselben hatte der Angeklagte an einer versteckten Stelle des Rummelplatzes Dinge vorgenommen, die aus Schicklichkeitsgründen nicht angedeutet werden können. Die Verhandlung fand wegen Gefährdung der öffentlichen Sittlichkeit unter Ausschluß derselben statt. Der Staatsanwalt beantragte, mit Rücksicht auf den Umstand, daß der Angeklagte wegen eines gleichen Verbrechens bereits vorbestraft ist, eine Zuchthausstrafe von zwei Jahren. In dem Augenblick, als der Staatsanwalt geendet hatte, erhob der Angeklagte einen vor ihm stehenden Stuhl und warf ihn mit aller Wucht und unter heftigen Schimpfen auf den Staatsanwalt. Letzterer entging dem Wurf nur durch einen schnellen Seitensprung. In demselben Augenblick sprang der Angeklagte, noch ehe die herbeieilenden Gerichtsdiener es verhindern konnten, über die Barriere und warf, unter heftigen Schimpfen, zwei schwere Bücher, die auf dem Verteidigertisch lagen, gegen die Richter, die jedoch auch durch einen schnellen Seitensprung sich vor Verletzungen schützten. Nur mit Mühe gelang es, den seit einiger Zeit mit Seitengewehren versehenen Gerichtsdienern, den wild um sich schlagenden Angeklagten zu fesseln und auf die Anklagebank zurückzuführen. Der Gerichtshof erkannte, dem Antrage des Staatsanwaltes entsprechend, auf zwei Jahre Zuchthaus. Der Angeklagte wird sich nun nochmals wegen Bedrohung, versuchter vorsätzlicher Körperverletzung, öffentlicher Beleidigung und Ungebühr vor Gericht zu verantworten haben."
"Ein Ringkampf im Gerichtssaal"
"In den Vorstädten der deutschen Reichshauptstadt, insbesondere in denen die Arbeiterbevölkerung überwiegt, ist zur Sommerzeit vielfach ein sehr lebhaftes Treiben zu beobachten. Es bilden sich sogenannte Rummelplätze, auf denen man ohrenbetäubende Musik, Lärmen und Schreien vernimmt. Auf den Karussels belustigt sich die Jugend. Eine Anzahl Buden ladet das Publikum zu allen möglichen "interessanten Sehenswürdigkeiten" ein, Ringkämpfer und Gymnastiker kündigen ihre Kräfte an. Ein solcher Ringkämpfer von dem Rummelplatz am Urban, der dreißigjährige, verheiratete Rudolf Zimmer, wurde auf die Anklagebank der vierten Strafkammer des Landgerichts Berlin II geführt. Als Zeuginnen waren vier kleine Schulmädchen erschienen. Mit denselben hatte der Angeklagte an einer versteckten Stelle des Rummelplatzes Dinge vorgenommen, die aus Schicklichkeitsgründen nicht angedeutet werden können. Die Verhandlung fand wegen Gefährdung der öffentlichen Sittlichkeit unter Ausschluß derselben statt. Der Staatsanwalt beantragte, mit Rücksicht auf den Umstand, daß der Angeklagte wegen eines gleichen Verbrechens bereits vorbestraft ist, eine Zuchthausstrafe von zwei Jahren. In dem Augenblick, als der Staatsanwalt geendet hatte, erhob der Angeklagte einen vor ihm stehenden Stuhl und warf ihn mit aller Wucht und unter heftigen Schimpfen auf den Staatsanwalt. Letzterer entging dem Wurf nur durch einen schnellen Seitensprung. In demselben Augenblick sprang der Angeklagte, noch ehe die herbeieilenden Gerichtsdiener es verhindern konnten, über die Barriere und warf, unter heftigen Schimpfen, zwei schwere Bücher, die auf dem Verteidigertisch lagen, gegen die Richter, die jedoch auch durch einen schnellen Seitensprung sich vor Verletzungen schützten. Nur mit Mühe gelang es, den seit einiger Zeit mit Seitengewehren versehenen Gerichtsdienern, den wild um sich schlagenden Angeklagten zu fesseln und auf die Anklagebank zurückzuführen. Der Gerichtshof erkannte, dem Antrage des Staatsanwaltes entsprechend, auf zwei Jahre Zuchthaus. Der Angeklagte wird sich nun nochmals wegen Bedrohung, versuchter vorsätzlicher Körperverletzung, öffentlicher Beleidigung und Ungebühr vor Gericht zu verantworten haben."
