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Abschied der USA vom Rechtsstaat
#1
Durchlesen und den Kopf schütteln. Quo Vadis, USA?

Anschlag auf den Rechtsstaat

Von Irmintraud Jost, New York

Im Windschatten des Anti-Terror-Kreuzzuges definiert die Bush-Regierung den Rechtsstaat um. Grundrechte und Verfassung werden teils außer Kraft gesetzt, Verhaftete bleiben Monate lang ohne Anklage und Anwaltsbeistand. Damit nicht genug: Justizminister Ashcroft weist inzwischen seine Staatsanwälte an, öfter die Todesstrafe zu fordern.


New York - Der 8. Mai ist für Jose Padilla ein denkwürdiger Jahrestag. Seit zwölf Monaten sitzt der amerikanische Staatsbürger im Gefängnis, davon elf Monaten in Einzelhaft in einem Militärgefängnis in South Carolina. Er hat keinen Kontakt zu Familie und Freunden, das Recht auf einen Anwalt wird ihm verweigert. Padilla weiß nicht, warum. Bis heute hat die Staatsanwaltschaft keine Anklage gegen ihn erhoben.
Das Schicksal des Mannes ist ein krasses Beispiel dafür, wie Präsident George W. Bush im Schulterschluss mit Justizminister John Ashcroft das amerikanische Rechtssystem aushöhlt. Ihr Anti-Terror-Eifer sprengt jede Dimension und macht selbst vor dem Allerheiligsten der Amerikaner nicht halt: der Verfassung. "Niemand darf ... der Freiheit oder des Eigentums ohne vorheriges ordentliches Gerichtsverfahren nach Recht und Gesetz beraubt werden", steht dort. Und: Ein Angeklagter hat ein Recht auf einen "unverzüglichen und öffentlichen Prozess vor einem unparteiischen Geschworenengericht" sowie auf "einen Rechtsbeistand zu seiner Verteidigung".
US-Rechtsexperten beklagen Verfassungsbruch
Für amerikanische Staatsbürger war diese Bill of Rights bislang wie in Stein gemeißelt. Bis der Präsident wissen ließ: Diese Rechte gelten nicht in Zeiten des Krieges. Egal scheinen ihm und Ashcroft, dass der Oberste Gerichtshof bereits während des Civil War 1866 anders entschieden hat. Es stört ihn auch wenig, dass Amerika offiziell gar nicht im Krieg war, als Padilla verhaftet wurde. Krieg kann nämlich nur der Kongress erklären und nicht der Präsident.
Bush und Ashcroft scheren sich offenbar nicht darum, dass Rechtsexperten ihnen vorwerfen, gegen die US-Verfassung zu verstoßen - und das nicht nur in diesem Fall. Wenn Bush den Rechtsstaat zurechtstutzt, beruft es sich meist auf das Gesetz zur Terrorbekämpfung und Bürgerüberwachung, ironischerweise "Patriot Act" getauft. Das hat der Kongress im Herbst 2001 verabschiedet, noch unter dem direkten Einfluss der Terroranschläge. Wo das nicht reicht, erlässt der Präsident eine so genannte "Executive Order" und umgeht damit das Parlament. So geschehen mit seiner Military Order im November 2001, die es ermöglicht, suspekte Ausländer vor Militärgerichte zu stellen. Im Fall Padilla beruft sich Ashcroft auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofes aus dem Jahr 1942 - aber damals herrschte eben Kriegsrecht.

Jose Padilla war am 8. Mai 2002 bei seiner Ankunft am O'Hare Flughafen in Chicago verhaftet worden. Er sei ein "unentbehrlicher Zeuge" in der Ermittlung gegen die Attentäter vom 11. September 2001, hieß es anfangs. Ein New Yorker Richter bestellte ihm einen Anwalt und setzte die Anhörung für den 11. Juni 2002 an. Am 10. Juni aber erklärte der Präsident den Zeugen Padilla zum "enemy combatant", zum feindlichen Kämpfer. Wer dazu ernannt wird, kann unbegrenzt und ohne anwaltlichen Beistand in Einzelhaft eingekerkert werden, erklärt das Justizministerium. Dienstherr Ashcroft wirft Padilla Kontakte zu al-Qaida vor, außerdem habe Padilla die Absicht gehabt, eine radioaktive "schmutzige Bombe" in den USA zu zünden. Die Beweise dafür blieb die Justizbehörde bisher schuldig.
Proteste der Anwälte und Gerichte zwecklos
Padilla, 1970 in Brooklyn geboren, trat vor einigen Jahren zum muslimischen Glauben über. Er war bereits mehrfach wegen anderer Delikte in Haft. Doch nicht seine Charaktereigenschaften stehen im Mittelpunkt der Diskussion, sondern seine Bürgerrechte als Amerikaner. Zweimal hat der Bundesrichter Michael Mukasey bereits angeordnet, dass Padillas Anwältin Donna Newman ihren Mandanten sprechen kann. Zweimal hat die Regierung Einspruch eingelegt. Newman wartet jetzt auf einen Termin beim nächst höheren Gericht. Das letzte Mal sprach sie am 7. Juni 2002 mit ihrem Mandanten. Alle Proteste der Anwaltsverbände gegen diese Machtausübung der Bush-Regierung blieben folgenlos.
"Es ist die Verantwortung des Präsidenten, sich im gesetzlichen Rahmen zu bewegen, selbst falls seine Absichten gut sind. Wenn er gegen die Verfassung verstößt, wird das gesamte System unsicher", warnt Timothy Lynch, Direktor des Projektes Strafrecht beim Cato Institute in Washington D.C, einem Thinktank, der sich dem Rechtsstaat verpflichtet fühlt. Bereits im Dezember 2001 hatte der Jurist vor einem Senats-Ausschuss zur Rechtsauffassung der Bush-Regierung gewarnt: "Der Präsident kann sich auf amerikanischem Boden nicht selbst zum Polizisten, Ankläger und Richter über Menschen machen." Wenn die Regierung meine, dass die Verfassung nicht ausreiche, dann solle sie eine Verfassungsänderung betreiben, so Lynch, "sie zu missachten ist unverantwortlich."

Tatsächlich ist die Argumentation der Bush-Regierung erschreckend. Im Fall Padilla legte sie eine Erklärung von Lowell Jacoby vor, in der der Direktor des militärischen Geheimdienstes (Defense Intelligence Agency) allen Ernstes erklärt, ein Anwaltsbesuch bei Padilla würde die Bemühungen der Regierung, psychologischen Druck auf Padilla anzuwenden, um Monate zurückwerfen und die "Befragungsmethoden der Regierung" kompromittieren. Die Aussicht auf einen Anwalt würde das "Gefühl von Abhängigkeit und Vertrauen", das die Beamten aufzubauen versuchen, vermutlich unwiderruflich zerstören.
Nach diesen Ausführungen kann man nur vermuten, unter welchen Umständen Padilla verhört wird. Genau diese Sorge liegt den "Miranda-Regeln" zugrunde, die jedem Verdächtigen direkt bei der Festnahme verlesen werden und das Recht auf einen Anwalt bei der Vernehmung zusichern. Sie werden in jedem amerikanischen Krimi zitiert. Verzichtet der Verdächtige nicht bewusst auf einen Anwalt, sind seine Aussagen bei Gericht nicht zugelassen.
Der britische Staatsbürger Richard Reid, besser bekannt als der Schuh-Bomber, weil er versucht hatte, eine American Airlines Maschine während des Fluges in die Luft zu sprengen, kam - anders als Padilla - immerhin in den Genuss von Anwalt und Gerichtsverfahren. Das bestätigt Kritiker nur in dem Verdacht, dass Ashcroft Padilla aus Mangel an harten Beweisen "weich klopfen" will.
Willkürliche Verhaftungen
Die Aufweichung des Rechtsstaates und der Verfassung begann schon kurz nach dem 11. September. Kaum fielen die Twin-Towers zusammen, wurden etwa 1200 in den USA lebende Ausländer verhaftet und wochenlang festgehalten. Wen scherte angesichts der Katastrophe schon das vierte Amendment, nach dem niemand willkürlich verhaftet werden kann? Wen kümmerte noch das Urteil des Obersten Gerichtshofs, nach dem keine Person auf bloßen Verdacht hin festgenommen werden darf?
Verfassung hin, Gerichte her: Abschiebeverfahren werden gegenwärtig häufig hinter unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgehalten. "Demokratien sterben hinter verschlossenen Türen", warnt das Berufungsgericht des 6. Circuit. Vergeblich: Ashcroft entschied ungerührt, dass Immigranten auch ohne terroristische Verbindungen bis zur Entscheidung ihres Asylverfahrens in Haft bleiben müssen, um so weitere Asylbewerber abzuschrecken.

Einwanderer können ohne Anklage als "unentbehrliche Zeugen" festgehalten werden. In einer anderen Entscheidung untergräbt Ashcroft das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandanten, indem er - ohne richterlichen Bescheid - Gespräche zwischen Häftlingen und Verteidigern belauschen lässt. "John Ashcroft hat ganz klar seine Macht missbraucht", urteilt Laura Murphy, Direktorin der Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) in Washington. Und die "New York Times" kritisierte vergangene Woche den "kontinuierlichen Versuch" der Rechten, "das Bundesjustizsystem zu hijacken".
Ashcroft will mehr Exekutionen
Der unerbittliche Kampf gegen den Terrorismus beschäftigt den Justizminister allerdings nicht so sehr, um nicht auch noch Zeit für ein weiteres Lieblingsthema zu finden: die Todesstrafe. Da Ashcroft der Meinung ist, dass die Bundesstaatsanwälte im Osten des Landes nicht häufig genug die Todesstrafe fordern, wies er Anklagevertreter in den Bundesstaaten New York und Connecticut in insgesamt zwölf Fällen an, sie einzuklagen. Die zuständigen Staatsanwälte hatten sich jeweils dagegen entschieden. Außerdem sorgte der überaus religiöse Ashcroft dafür, dass die beiden als Sniper bekannt gewordenen Heckenschützen John Muhammad und Lee Malvo im Bundesstaat Virginia angeklagt werden, weil dort die Aussichten auf eine Exekution am größten sind - auch für den zur Tatzeit minderjährigen Malvo. Kritiker der Todesstrafe fürchten, dass Ashcroft seine Ideologie der liberaleren Ostküste aufdrücken will.
"Die USA wird den Terroristen nicht erlauben, das Leben der Amerikaner zu ändern", hatte Verteidigungsminister Donald Rumsfeld nach dem 11. September erklärt. Es ist fast ironisch, dass es nun die Regierung ist, die mit dramatischen Eingriffen die Freiheit und demokratischen Rechte auch ihrer eigenen Bürger in nie da gewesener Weise begrenzt.

http://www.spiegel.de


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Kommentar überflüssig
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#2
Da kann man wirklich nur mit dem Kopf schuetteln Nee nee .
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#3
Ich wollt schon sagen, USA und Rechtstaat? Nein das war er Meiner Meinung nach nie. Menschenverachtend ist das System immer gewesen und wird es auch bleiben. da kann kommen was will. Ich bin nicht bewandert in Geschichte der USA (ab 1950) aber ich würde sagen das unter Billy Boy es nicht ganz so krass war, aber auch schon Nixon war so (bitte korigieren wenns falsch ist)
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#4
Wenn man einmal von der Rassentrennung der 50er Jahre absieht war die USA schon ein Land für das die Verfassung das Allerheiligste war, da dies mehr oder weniger die Stütze der Gesellschaft war. Und selbst die Rassentrennung damals war für diese Leute "normal", was sie keinesfalls richtig macht.

Aber derartige Verstöße, wie oben beschrieben, hat es in diesem Maße kaum gegeben bzw. war man wenn so clever diese unter Verschluß zu halten. Etwas derartiges hat es in der US Geschichte höchst selten gegeben.
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#5
Zitat:Original von RDLA
Aber derartige Verstöße, wie oben beschrieben, hat es in diesem Maße kaum gegeben bzw. war man wenn so clever diese unter Verschluß zu halten. Etwas derartiges hat es in der US Geschichte höchst selten gegeben.
Nun ja wie du sagst sie waren nicht bekannt,das heisst nicht das es sie nicht gab.
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#6
Zuerst einmal Quelle spiegel.de, sehr überraschend, denn von denen kommt im moment nur anit-USA Propaganda, anders kann man es nicht mehr sagen, die sind genauso einseitig wie die USA die sie kritisieren.
Dann ein Fall der sich zuerst sehr schlimm anhört, dann erfährt man aber dass es wohl kein Unschuldslamm ist und es ist ein Einzelfall. Scheiße für den den es erwischt, aber das ende des Rechtssystems an so einem lächerlichen Beispiel begründen?
Meiner Meinung ist das amerikanische Rechtssystem nicht annähernd so gut wie das deutsche, besonders wegen der Präsidenzfälle und der Geschworenen, aber es ist besser als es hier dargestellt wird, und ein konsequenteres Vorgehen gegen Terroristen und ALLE radikalen muslimischen Vereinigungen würde ich mir auch wünschen!!
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#7
Nur geht es in diesem Fall nicht nur um einen Fall, sondern es kann im Grunde JEDEN treffen. Und was das noch mit Rechtsstaat zu tun hat, ist doch eine wahrlich angebrachte Frage.

Und dann betrachte man bitte noch, wie sehr die Amerikaner hinter ihrer Verfassung stehen. Diese ist nahezu ihr Allerheiligstes. Und diese wird nun von der eigenen Regierung mit Füßen getreten.

Dass etwas derartiges in den USA überhaupt möglich ist, zeigt doch schon die Intention der Regierung. Und das Aufdecken der Wahrheit würde ich nun beim besten Willen nicht als Propaganda bezeichnen, sondern eher als Gegenstück der einseitigen US Berichterstattung.
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#8
Es kann nicht jeden treffen, sondern nur Gegner der Regierung, sprich Moslems und sonstige religiöse Gruppen die mit den Terrortruppen in verbindung gebracht werden können, sowie auch Leute die solchen Vereinigungen in Verbindung stehen.
Jemand der damit nichts zu tun hat hat aber nichts zu befürchten und wird auch nicht grundlos im Gefängnis sitzen!!
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#9
Aber nicht jeder Verdächtige ist schuldig. Und wie sieht es mit dem Grundsatz aus: Unschuldig bis zum Beweis der Schuld? Soll dieses Prinzip etwa fallen gelassen werden? Also soll man den Rechtsstaat noch weiter einschränken? Das kann es nun wirklich nicht sein!
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#10
Zitat:Meiner Meinung ist das amerikanische Rechtssystem nicht annähernd so gut wie das deutsche, besonders wegen der Präsidenzfälle und der Geschworenen, aber es ist besser als es hier dargestellt wird, und ein konsequenteres Vorgehen gegen Terroristen und ALLE radikalen muslimischen Vereinigungen würde ich mir auch wünschen!!

Nun ja das mit den geschworen gibt es in Deutschland in ähnlicher Art auch, nicht mit einer so großen Jury, aber 2 Leute werden bei fast jedem Strafgestzt blabla. Das mit dem Terroristen ist in Deutschland sicher nicht so stark gibt es aber auch. Gut viele werden nicht gejagt ich kenne in Berlin einige die ich ohne weiteres als Schläfer bezeichnen würde.

@RDLA In Amerika ist es normal genau anders herum da ist man solange schuldig bis man das Gegenteil beweisen konnte. Naja vielleicht nicht offiziel aber was ich so mitbekommen habe war es immer so
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