19.09.2009, 18:33
Giganten im Wrestling - Eine Geschichte von großen und kleinen Giganten
Im Wrestling gibt es ja bekanntlich nichts was es nicht gibt. Große und kleine, dicke und dünne, starke und schwache Wrestler. Im Verlauf der Geschichte haben so viele Menschen den Ring betreten, dass daraus ein bunter Mix aus Show und Sport entstanden ist. In nahezu allen Erdteilen gibt es heute einen Wrestlingstil. Und diese Stile haben allerlei Athleten hervorgebracht, die die Blicke der Zuschauer auf sich zogen. Unter der Vielzahl der Wrestler gab es auch solche, die besonders mit ihrer Größe und ihrem Gewicht hervortraten. Namen wie Yokozuna, Andre the Giant oder Haystacks Calhoun sind längst zum Kult geworden. Doch jede Generation kennt irgendeinen Giganten, der im Ring für Furore sorgte. So ist das Phänomen des Gigantismus im Wrestling nicht erst ein Thema von heute.
[Bild: http://s2.imgimg.de/uploads/Bild00118841377ejpg.jpg]
Man Mountain Dean, einer der ersten Riesen im Pro-Wrestling der USA.
Auch vor 50 oder 100 Jahren haben sich schon Kolosse im Ring gegenübergestanden. Und schon bei ihnen musste man befürchten, dass die Ringkonstruktion in zwei Hälften zerbricht. Dabei waren die frühen Kolosse keineswegs unbeweglicher, als die von heute. Bestes Beispiel für körperliche Beweglichkeit lieferte der Catcher Janis Leskinowitsch. Mit 160kg hatte er keine Probleme damit einen Spagat auf das Parkett zu legen. Er machte das noch mit einer Leichtigkeit, um die ihn seine Kollegen beneideten. Leskinowitsch stammte aus Lettland und bestritt 147 Freistilkämpfe in Nordamerika. Auch in Südamerika war der Koloss erfolgreich. So blieb er ein ganzes Jahr lang in Rio de Janeiro unbesiegt.
Selbst in Indien wurde man auf den Letten aufmerksam. Ein Veranstalter wollte ihn für 5 Jahre verpflichten. Aber der Riese lehnte dankend ab. Er sollte in einem Internat nach besonderen Ritualen leben. Dass war offenbar zu viel des Guten, Europa versprach da mehr Chancen. Der zweimalige Europameister hatte unter den damaligen Catchern eine bemerkenswerte Körperbeherrschung. Selbst Catch-Veranstalter Rudolf Zurth meinte, dass das so kein zweites Schwergewicht aufweisen konnte. Leskinowitsch war auch außerhalb der Seile in anderen Sportarten aktiv. So betätigte er sich im Hochsprung und Stein stoßen. Zu seinem Speiseplan gehörte viel Honig, Butter und Gemüse. Um so weniger vertilgte er Fisch und Brot. Der bewegliche Riese ist leider ein Opfer des Krieges geworden. Er starb vermutlich 1945.
Der Speiseplan dieser Kolosse sieht mitunter ziemlich kurios aus. Während manche auf gesunde und ausgewogene Ernährung pochen, stopfen sich andere ganze Wagenladungen in den Mund. Zu diesen Vielessern zählten besonders Haystacks Calhoun, Michael Paradanoff und Andre the Giant. Der 600 Pfund schwere Calhoun verschlang schon Unmengen zum Frühstück. Zwölf Eier, ein drei Pfund Steak und vier Liter Milch landeten da in seinem Magen - und dann sagt er selbst noch: "Mittags und abends esse ich ein bisschen mehr." Calhoun sorgte nicht nur mit seinen Essgewohnheiten für Aufsehen. Auch im Ring ließ er es krachen. Kaum zu glauben, dass es da einen Wrestler gab, der noch mehr auf die Waage brachte. Calhoun lieferte sich mit dem schwersten Wrestler aller Zeiten, Happy Humphrey, ein Hin-und Herschieben der Fettmassen.
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Haystacks Calhoun und Happy Humphrey
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Simon Antonitsch, der mit seinen 2.13m eher eine hagere Erscheinung machte.
Kann hier eigentlich noch von Wrestling die Rede sein? Wahrlich ästhetisch wirkte das nun nicht unbedingt. Als William Cobb, nach dem Ende seiner Laufbahn, 1962 auf eine Spezialwaage stieg, übersprang der Zeiger die 800 Pfund Marke. Cobb wog nun in etwa so viel wie Andre the Giant und Kevin Nash zusammen. Doch andere Zeitgenossen meinten sogar, er habe über 900 Pfund auf die Waage gebracht. Bis heute ist sein richtiges Gewicht unbekannt. Während seiner Zeit im Ring schwankte es zwischen 750 und 800 Pfund. Cobb debütierte als "Happy Humphrey" 1953 im typisch amerikanischen Wrestling der Nachkriegszeit. Hektik, Sensationsgier und immer illustere Gestalten bestimmten das Profigeschäft. Vince Sr. holte den Giganten nach New York. Die bekanntesten Matches bestritt er gegen Haystacks Calhoun, der seinerseits 600 Pfund wog. Ein Hauptkampf mit Calhoun führte sogar zum Ausverkauf des Madison Square Garden. Herzprobleme beendeten Humphreys "Karriere" 1962. Nach einer mehrjährigen Abspeckkur verließ er 1965 die Klinik mit 570 Pfund weniger auf den Rippen - Weltrekord. Doch das Abnehmen nützte nichts, da Cobb am Ende wieder auf über 600 Pfund zulegte. Am 14.03.1989 erlag der schwerste Wrestler aller Zeiten einem Herzinfarkt. Er wurde 62 Jahre alt. Im Ring erzeugte er zwar aufgrund seiner Körperfülle ein gewisses Aufsehen, der Erfolg blieb allerdings aus. Es sah wenig nach Wrestling aus, wenn er sich mit Calhoun raufte. William Cobb konnte nicht richtig gehen und sitzen. Wie er später selbst anmerkte, lernte er erst durch die Diät sitzen und die Beine Überkreuz zu schlagen. Sein gewichtiger Kontrahent Calhoun erreichte ein für Riesen höheres Alter. Er starb 1999 mit 65 Jahren an Diabetes. Die Essgewohnheiten Calhouns stehen aber nahezu im Hintergrund seiner Erfolge im Wrestling. So manchen Titel hatte der Gigant über die Jahre in den Händen gehalten.
Ein weiterer Gigant, aus dem Kreise der Vielesser, war der Catcher Michael Paradanoff. Er fand ein unglückliches und tragisches Ende in Berlin Wedding. Am 01.01.1947 wird er auf offener Straße erschossen. Nach dem einige Passanten von einer Gang angepöbelt wurden, griff Paradanoff beherzt ein. Diese Zivilcourage kostete ihn das Leben. In den Hotels und Gaststätten war sein Hunger hinreichend bekannt. Da wurde zum Frühstück ein ganzes Spanferkel verputzt. Ein Wirt in Bremen bekam seinen Appetit mal besonders zu spüren. Ganze fünf Portionen Eisbein und ein Dessert verschwanden in seinem Schlund. Dass der 180kg gewichtige Hüne auch kämpfen konnte, dass bewies ein Match in Belgrad. Paradanoff traf hier auf einen weiteren Riesen aus Ungarn. Wenger Wildmann hieß das Ungetüm und brachte 170kg auf die Waage. Unter dem Motto "Sieben Zentner auf der Matte" startete die Schlacht der Giganten. Allerdings überstand das nicht die Ringkonstruktion. Der Russe sprang den Ungarn Wildmann an. Der wehrte aber ab, beide stürzten zu Boden. Unter der Last des Gewichtes gab das Podium nach. Paradanoff und Wildmann versanken vor jubelndem Publikum in der Tiefe. Das Match wurde zum Tagesthema des europäischen Catchens. Wenig später trafen sich die beiden Kontrahenten wieder. Diesmal aber nicht im Ring, sondern zum Festbankett. Die Regierung von Belgrad veranstaltete ein Festessen. Auch dort gab es - wie im Kampf - keinen Sieger. Paradanoff und Wildmann vertilgten gleichviel. Der Russe war jedoch kein unbeweglicher. Er bewegte sich leichtfüßiger, wie es ihm mancher kaum zugetraut hätte.
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Michael Paradanoff, der Mann der ein ganzes Spanferkel zum Frühstück verzehren konnte.
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Die Taten machten Martin Burns zum Giganten im Wrestling. Er gilt als Begründer des "American Catch Wrestling". Burns gründete über 100 Trainingsschulen in denen Generationen von Wrestlern trainierten. Sein berühmtester Schüler war Frank Gotch. Als Burns 1937 starb, war die Ära von großen Wrestling-Pionieren beendet.
Paradanoff war aber nicht der einzige Riese den Russland hervorbrachte. 1878 wird im Ural ein Mann geboren, der zu den körperlich größten Wrestlern Anfang des 20.Jh. zählte, Gregor Kascheff. Er brachte es auf 2.17m. Sein Auftritt im Ring war nur von kurzer Dauer. In Erinnerung ist nur die Weltmeisterschaft in Paris von 1908 geblieben. Hier schaffte es Kascheff bis zum zweiten Platz. Außerdem war er im Jahr 1906 Europameister. Kascheff betrat die Bühne mit einer karminroten Kosakenuniform. Damit waren die Blicke der Zuschauer automatisch vorprogrammiert. Max Palmer und Kurt Zehe bildeten damals zusammen mit Iwan Glawin (alle so um 2.20m) die Spitze der körperlich größten Wrestler zwischen 1900 und 1950. Einen großen Speiseplan hatte auch der Franzose Andre Roussimoff, der als Andre the Giant in die Geschichte einging. Ein Wirt bekundete, er habe 16 Steaks gegessen und Unmengen an Bier getrunken. Und eine ganze Flasche "Jack Daniels" soll noch nach geflossen sein.
Doch so viel die meisten Giganten auch verschlungen haben, im Ring haben sie eine gute Show abgeliefert. Leider ist es so manchem verwehrt geblieben, ein langes Leben zu führen. Der großartige Andre verstarb 1993 in Paris. Nicht mal 50 Lenze zählte er. So auch der Riese Yokozuna, der nur 34 Jahre alt wurde. Giganten gab es zu jeder Zeit im Wrestling. Sie alle aufzuzählen ist unmöglich. Einige sind bis heute unvergessen, viele aber im Dunkel der Geschichte verloren gegangen. Zu den heute eher Unbekannten zählen Wayne Munn und Man Mountain Dean. Sie waren mit die ersten Riesen im Pro-Wrestling der USA. Man Mountain Dean hieß bürgerlich Frank Leavitt. 1907 gab er sein Debüt im Pro-Wrestling. In den 1930er Jahren kämpfte er erfolgreich an Nordamerikas Westküste. Später schaffte er landesweit den Durchbruch. Bekannt war seine Kraft. So hob der 350 Pfund Riese manchen Wrestler genüsslich in die Höhe.
Worin lag nun der Anziehungspunkt bei den damaligen Giganten begründet? Starke und große Athleten haben schon Ende des 19.Jh. reges Interesse hervorgerufen. Es wurde philosophiert und debattiert über den Nutzen sportlicher Aktivitäten. So gab es Kritiker, die im Sport nur das Ungesunde sahen. Ein relativ neuer Zweig des Sports konnte aber nicht mehr totgeschwiegen werden, die Schwerathletik. Starke und gesunde Proportionen des Körpers können ja kaum schaden. Im Gegenteil, man lebt damit viel besser. Aber so mancher Athlet von damals hat den Sport überbewertet, sich zu viel zugemutet und ist letztendlich am Profiringkampf gescheitert. Die Erfordernisse an den Wrestler waren schon damals hoch. Im 19.Jh. betätigten sich zudem noch viele als Gewichtheber und Kraftakrobaten gleichzeitig. Ein Gigant muss ja nicht unbedingt fett sein. Auch die Körperkraft hat so manchem den Erfolg gebracht. Die Zuschauer waren vor über 100 Jahren erstaunt, wenn solche Kolossalmenschen in den Ring stiegen. Und noch mehr Begeisterung riefen die Kraftvorstellungen hervor. Jeder noch so winzige Erfolg wurde groß an den Nagel gehängt.
Einer dieser Riesenbabys mit enormer Kraft war der Catcher Peter Kop. Mit 9 Jahren wog er schon 100 Pfund. Ein Hobby von ihm war das Verbiegen von Stabeisen, Rundeisen und Eisenschienen. Auf Wunsch der Zuschauer bog er daraus Ellipsen, Hufeisen oder Ringe. Diese Kraftproben der damaligen Catcher boten eine willkommene Abwechslung zu den herkömmlichen Kämpfen. Desöfteren war das drumherum spannender, als die Matches an sich. Kop zeigte noch mehr Kraftproben, die ihn wahrscheinlich zum physisch stärksten Mann seiner Epoche machten. Nun war Kop nicht sonderlich groß. Einen Giant Gonzalez konnte auch er nicht überragen. Aber wer konnte das schon? Jorge "Giant" Gonzalez war wahrscheinlich mit 7,6 Fuß der größte Professional-Wrestler aller Zeiten.
So ist aber der Gigant nicht immer groß, sondern kann auch mit seiner Kraft "gigantisch" wirken. Das hat Kop ohne Frage geschafft. Gigantische Kraftproben vermochte auch der Wrestler Emil Voss zu zeigen. Mit seinem rechten Zeigefinger hob er 300kg an. Voss war später im Gürtelringkampf in Russland und Mexiko erfolgreich. Doch nicht nur Kop zählte zu den starken deutschen Giganten. Auch die Herren Hans Steinke und Richard Shikat verfügten über enorme Körperkräfte. Der 1896 in Stettin geborene Hans Steinke besiegte 1922 Weltmeister Paul Westergaard Schmidt. In den USA wurde er binnen kürzester Zeit bekannt und stieg bis in die Spitzengruppe auf. Gleiches gilt für Richard Shikat.
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Pierrard de Colosse, zu Beginn des 20.Jh. einer der schwersten europäischen Berufsringer.
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Wayne Munn, der Riese aus Nebraska
Das Wort Riesenbaby dürfte auch auf "The Big Show" Paul Wight zutreffen. Bereits im 12. Lebensjahr maß er 1.85m und wog 125kg. Die magische 500 Pfund Grenze war sein Markenzeichen. Ständig ertönte die Ansage "fivehundred pounds". Dabei ist Wight wohl einer der beweglichsten Riesen. Man erinnere nur an den Drop Kick gegen Chris Benoit. Im Ring zeigte der Koloss einen bunten Auftritt. Ob als Schotte verkleidet oder mit einem Schwert bewaffnet, Wight nutzte seine enorme Masse und Größe explizit aus. Dabei bekam so mancher Gegner seine Bratpfannenhände oder seine Schuhe Größe 62 zu spüren. Eine lustige Geschichte ereignete sich mal in Japan. Wight übernachtete in einem Hotel. Da die Gegenstände seinen Ansprüchen fast nie gerecht werden konnten, musste irgendwann das Unglück eintreten. Als er sich auf die Toilette des Hotelzimmers setzte, brach diese aus der Wand heraus. Das muss für die Hotelbesitzer ein komischer Anblick gewesen sein. Wight durfte man nie unterschätzen. Derzeit hat er offenbar einiges an Gewicht verloren. Vielleicht kehrt der sympathische Riese, der einen Kleinwagen fährt, bald in den Ring zurück. Vielleicht zieht Wight auch die Notbremse und hört gänzlich mit dem Wrestling auf.
Weitere Riesen der Vergangenheit waren u.a. der schlank erscheinende Simon Antonitsch, der rundliche Pierrard de Colosse und schließlich der Berliner Meisterringer Paul Westergaard Schmidt. Der größte unter den damaligen Athleten war wohl der Königsberger Kurt Zehe mit seinen rund 2.20m. Manche zeitgenössische Autoren sagen sogar er maß 2.32m. Antonitsch war das perfekte Beispiel, dass ein übergroßer Mensch auch im Wrestling erfolgreich sein konnte. Antonitsch maß 2.13m und wog 130kg. 1908 wird er in Wien Weltmeister im Schwergewicht. Er errang den Sieg noch vor den Kontrahenten Jakob Koch und Alfons Steuers. Antonitsch wurde nur 38 Jahre alt. Er starb 1919 an den Folgen eines Leberleidens. Seine hagere Erscheinung erregte Aufsehen. Im Ring ließ er jedoch kaum Worte fallen, als vielmehr mehr Taten folgen. Die auffallend langen Arme begünstigten die Durchführung seiner Spezialgriffe. Dazu gehörte auch der Nackenhebel.
In Berlin trieb damals ein Riese sein Unwesen, der später fünffacher Weltmeister der Schwergewichte wurde, Paul Westergaard Schmidt. Durch die Straßen von Berlin zog er bei Wind und Wetter einen Möbelwagen. Eine elegante Methode um Aufmerksamkeit zu erregen. Dabei haben diese Kraftproben auch sein Können im Ring kaum in den Schatten gestellt. Das zeigte sich dann später bei den Weltmeisterschaften.
Fortsetzung folgt
Im Wrestling gibt es ja bekanntlich nichts was es nicht gibt. Große und kleine, dicke und dünne, starke und schwache Wrestler. Im Verlauf der Geschichte haben so viele Menschen den Ring betreten, dass daraus ein bunter Mix aus Show und Sport entstanden ist. In nahezu allen Erdteilen gibt es heute einen Wrestlingstil. Und diese Stile haben allerlei Athleten hervorgebracht, die die Blicke der Zuschauer auf sich zogen. Unter der Vielzahl der Wrestler gab es auch solche, die besonders mit ihrer Größe und ihrem Gewicht hervortraten. Namen wie Yokozuna, Andre the Giant oder Haystacks Calhoun sind längst zum Kult geworden. Doch jede Generation kennt irgendeinen Giganten, der im Ring für Furore sorgte. So ist das Phänomen des Gigantismus im Wrestling nicht erst ein Thema von heute.
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Man Mountain Dean, einer der ersten Riesen im Pro-Wrestling der USA.
Auch vor 50 oder 100 Jahren haben sich schon Kolosse im Ring gegenübergestanden. Und schon bei ihnen musste man befürchten, dass die Ringkonstruktion in zwei Hälften zerbricht. Dabei waren die frühen Kolosse keineswegs unbeweglicher, als die von heute. Bestes Beispiel für körperliche Beweglichkeit lieferte der Catcher Janis Leskinowitsch. Mit 160kg hatte er keine Probleme damit einen Spagat auf das Parkett zu legen. Er machte das noch mit einer Leichtigkeit, um die ihn seine Kollegen beneideten. Leskinowitsch stammte aus Lettland und bestritt 147 Freistilkämpfe in Nordamerika. Auch in Südamerika war der Koloss erfolgreich. So blieb er ein ganzes Jahr lang in Rio de Janeiro unbesiegt.
Selbst in Indien wurde man auf den Letten aufmerksam. Ein Veranstalter wollte ihn für 5 Jahre verpflichten. Aber der Riese lehnte dankend ab. Er sollte in einem Internat nach besonderen Ritualen leben. Dass war offenbar zu viel des Guten, Europa versprach da mehr Chancen. Der zweimalige Europameister hatte unter den damaligen Catchern eine bemerkenswerte Körperbeherrschung. Selbst Catch-Veranstalter Rudolf Zurth meinte, dass das so kein zweites Schwergewicht aufweisen konnte. Leskinowitsch war auch außerhalb der Seile in anderen Sportarten aktiv. So betätigte er sich im Hochsprung und Stein stoßen. Zu seinem Speiseplan gehörte viel Honig, Butter und Gemüse. Um so weniger vertilgte er Fisch und Brot. Der bewegliche Riese ist leider ein Opfer des Krieges geworden. Er starb vermutlich 1945.
Der Speiseplan dieser Kolosse sieht mitunter ziemlich kurios aus. Während manche auf gesunde und ausgewogene Ernährung pochen, stopfen sich andere ganze Wagenladungen in den Mund. Zu diesen Vielessern zählten besonders Haystacks Calhoun, Michael Paradanoff und Andre the Giant. Der 600 Pfund schwere Calhoun verschlang schon Unmengen zum Frühstück. Zwölf Eier, ein drei Pfund Steak und vier Liter Milch landeten da in seinem Magen - und dann sagt er selbst noch: "Mittags und abends esse ich ein bisschen mehr." Calhoun sorgte nicht nur mit seinen Essgewohnheiten für Aufsehen. Auch im Ring ließ er es krachen. Kaum zu glauben, dass es da einen Wrestler gab, der noch mehr auf die Waage brachte. Calhoun lieferte sich mit dem schwersten Wrestler aller Zeiten, Happy Humphrey, ein Hin-und Herschieben der Fettmassen.
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Haystacks Calhoun und Happy Humphrey
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Simon Antonitsch, der mit seinen 2.13m eher eine hagere Erscheinung machte.
Kann hier eigentlich noch von Wrestling die Rede sein? Wahrlich ästhetisch wirkte das nun nicht unbedingt. Als William Cobb, nach dem Ende seiner Laufbahn, 1962 auf eine Spezialwaage stieg, übersprang der Zeiger die 800 Pfund Marke. Cobb wog nun in etwa so viel wie Andre the Giant und Kevin Nash zusammen. Doch andere Zeitgenossen meinten sogar, er habe über 900 Pfund auf die Waage gebracht. Bis heute ist sein richtiges Gewicht unbekannt. Während seiner Zeit im Ring schwankte es zwischen 750 und 800 Pfund. Cobb debütierte als "Happy Humphrey" 1953 im typisch amerikanischen Wrestling der Nachkriegszeit. Hektik, Sensationsgier und immer illustere Gestalten bestimmten das Profigeschäft. Vince Sr. holte den Giganten nach New York. Die bekanntesten Matches bestritt er gegen Haystacks Calhoun, der seinerseits 600 Pfund wog. Ein Hauptkampf mit Calhoun führte sogar zum Ausverkauf des Madison Square Garden. Herzprobleme beendeten Humphreys "Karriere" 1962. Nach einer mehrjährigen Abspeckkur verließ er 1965 die Klinik mit 570 Pfund weniger auf den Rippen - Weltrekord. Doch das Abnehmen nützte nichts, da Cobb am Ende wieder auf über 600 Pfund zulegte. Am 14.03.1989 erlag der schwerste Wrestler aller Zeiten einem Herzinfarkt. Er wurde 62 Jahre alt. Im Ring erzeugte er zwar aufgrund seiner Körperfülle ein gewisses Aufsehen, der Erfolg blieb allerdings aus. Es sah wenig nach Wrestling aus, wenn er sich mit Calhoun raufte. William Cobb konnte nicht richtig gehen und sitzen. Wie er später selbst anmerkte, lernte er erst durch die Diät sitzen und die Beine Überkreuz zu schlagen. Sein gewichtiger Kontrahent Calhoun erreichte ein für Riesen höheres Alter. Er starb 1999 mit 65 Jahren an Diabetes. Die Essgewohnheiten Calhouns stehen aber nahezu im Hintergrund seiner Erfolge im Wrestling. So manchen Titel hatte der Gigant über die Jahre in den Händen gehalten.
Ein weiterer Gigant, aus dem Kreise der Vielesser, war der Catcher Michael Paradanoff. Er fand ein unglückliches und tragisches Ende in Berlin Wedding. Am 01.01.1947 wird er auf offener Straße erschossen. Nach dem einige Passanten von einer Gang angepöbelt wurden, griff Paradanoff beherzt ein. Diese Zivilcourage kostete ihn das Leben. In den Hotels und Gaststätten war sein Hunger hinreichend bekannt. Da wurde zum Frühstück ein ganzes Spanferkel verputzt. Ein Wirt in Bremen bekam seinen Appetit mal besonders zu spüren. Ganze fünf Portionen Eisbein und ein Dessert verschwanden in seinem Schlund. Dass der 180kg gewichtige Hüne auch kämpfen konnte, dass bewies ein Match in Belgrad. Paradanoff traf hier auf einen weiteren Riesen aus Ungarn. Wenger Wildmann hieß das Ungetüm und brachte 170kg auf die Waage. Unter dem Motto "Sieben Zentner auf der Matte" startete die Schlacht der Giganten. Allerdings überstand das nicht die Ringkonstruktion. Der Russe sprang den Ungarn Wildmann an. Der wehrte aber ab, beide stürzten zu Boden. Unter der Last des Gewichtes gab das Podium nach. Paradanoff und Wildmann versanken vor jubelndem Publikum in der Tiefe. Das Match wurde zum Tagesthema des europäischen Catchens. Wenig später trafen sich die beiden Kontrahenten wieder. Diesmal aber nicht im Ring, sondern zum Festbankett. Die Regierung von Belgrad veranstaltete ein Festessen. Auch dort gab es - wie im Kampf - keinen Sieger. Paradanoff und Wildmann vertilgten gleichviel. Der Russe war jedoch kein unbeweglicher. Er bewegte sich leichtfüßiger, wie es ihm mancher kaum zugetraut hätte.
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Michael Paradanoff, der Mann der ein ganzes Spanferkel zum Frühstück verzehren konnte.
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Die Taten machten Martin Burns zum Giganten im Wrestling. Er gilt als Begründer des "American Catch Wrestling". Burns gründete über 100 Trainingsschulen in denen Generationen von Wrestlern trainierten. Sein berühmtester Schüler war Frank Gotch. Als Burns 1937 starb, war die Ära von großen Wrestling-Pionieren beendet.
Paradanoff war aber nicht der einzige Riese den Russland hervorbrachte. 1878 wird im Ural ein Mann geboren, der zu den körperlich größten Wrestlern Anfang des 20.Jh. zählte, Gregor Kascheff. Er brachte es auf 2.17m. Sein Auftritt im Ring war nur von kurzer Dauer. In Erinnerung ist nur die Weltmeisterschaft in Paris von 1908 geblieben. Hier schaffte es Kascheff bis zum zweiten Platz. Außerdem war er im Jahr 1906 Europameister. Kascheff betrat die Bühne mit einer karminroten Kosakenuniform. Damit waren die Blicke der Zuschauer automatisch vorprogrammiert. Max Palmer und Kurt Zehe bildeten damals zusammen mit Iwan Glawin (alle so um 2.20m) die Spitze der körperlich größten Wrestler zwischen 1900 und 1950. Einen großen Speiseplan hatte auch der Franzose Andre Roussimoff, der als Andre the Giant in die Geschichte einging. Ein Wirt bekundete, er habe 16 Steaks gegessen und Unmengen an Bier getrunken. Und eine ganze Flasche "Jack Daniels" soll noch nach geflossen sein.
Doch so viel die meisten Giganten auch verschlungen haben, im Ring haben sie eine gute Show abgeliefert. Leider ist es so manchem verwehrt geblieben, ein langes Leben zu führen. Der großartige Andre verstarb 1993 in Paris. Nicht mal 50 Lenze zählte er. So auch der Riese Yokozuna, der nur 34 Jahre alt wurde. Giganten gab es zu jeder Zeit im Wrestling. Sie alle aufzuzählen ist unmöglich. Einige sind bis heute unvergessen, viele aber im Dunkel der Geschichte verloren gegangen. Zu den heute eher Unbekannten zählen Wayne Munn und Man Mountain Dean. Sie waren mit die ersten Riesen im Pro-Wrestling der USA. Man Mountain Dean hieß bürgerlich Frank Leavitt. 1907 gab er sein Debüt im Pro-Wrestling. In den 1930er Jahren kämpfte er erfolgreich an Nordamerikas Westküste. Später schaffte er landesweit den Durchbruch. Bekannt war seine Kraft. So hob der 350 Pfund Riese manchen Wrestler genüsslich in die Höhe.
Worin lag nun der Anziehungspunkt bei den damaligen Giganten begründet? Starke und große Athleten haben schon Ende des 19.Jh. reges Interesse hervorgerufen. Es wurde philosophiert und debattiert über den Nutzen sportlicher Aktivitäten. So gab es Kritiker, die im Sport nur das Ungesunde sahen. Ein relativ neuer Zweig des Sports konnte aber nicht mehr totgeschwiegen werden, die Schwerathletik. Starke und gesunde Proportionen des Körpers können ja kaum schaden. Im Gegenteil, man lebt damit viel besser. Aber so mancher Athlet von damals hat den Sport überbewertet, sich zu viel zugemutet und ist letztendlich am Profiringkampf gescheitert. Die Erfordernisse an den Wrestler waren schon damals hoch. Im 19.Jh. betätigten sich zudem noch viele als Gewichtheber und Kraftakrobaten gleichzeitig. Ein Gigant muss ja nicht unbedingt fett sein. Auch die Körperkraft hat so manchem den Erfolg gebracht. Die Zuschauer waren vor über 100 Jahren erstaunt, wenn solche Kolossalmenschen in den Ring stiegen. Und noch mehr Begeisterung riefen die Kraftvorstellungen hervor. Jeder noch so winzige Erfolg wurde groß an den Nagel gehängt.
Einer dieser Riesenbabys mit enormer Kraft war der Catcher Peter Kop. Mit 9 Jahren wog er schon 100 Pfund. Ein Hobby von ihm war das Verbiegen von Stabeisen, Rundeisen und Eisenschienen. Auf Wunsch der Zuschauer bog er daraus Ellipsen, Hufeisen oder Ringe. Diese Kraftproben der damaligen Catcher boten eine willkommene Abwechslung zu den herkömmlichen Kämpfen. Desöfteren war das drumherum spannender, als die Matches an sich. Kop zeigte noch mehr Kraftproben, die ihn wahrscheinlich zum physisch stärksten Mann seiner Epoche machten. Nun war Kop nicht sonderlich groß. Einen Giant Gonzalez konnte auch er nicht überragen. Aber wer konnte das schon? Jorge "Giant" Gonzalez war wahrscheinlich mit 7,6 Fuß der größte Professional-Wrestler aller Zeiten.
So ist aber der Gigant nicht immer groß, sondern kann auch mit seiner Kraft "gigantisch" wirken. Das hat Kop ohne Frage geschafft. Gigantische Kraftproben vermochte auch der Wrestler Emil Voss zu zeigen. Mit seinem rechten Zeigefinger hob er 300kg an. Voss war später im Gürtelringkampf in Russland und Mexiko erfolgreich. Doch nicht nur Kop zählte zu den starken deutschen Giganten. Auch die Herren Hans Steinke und Richard Shikat verfügten über enorme Körperkräfte. Der 1896 in Stettin geborene Hans Steinke besiegte 1922 Weltmeister Paul Westergaard Schmidt. In den USA wurde er binnen kürzester Zeit bekannt und stieg bis in die Spitzengruppe auf. Gleiches gilt für Richard Shikat.
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Pierrard de Colosse, zu Beginn des 20.Jh. einer der schwersten europäischen Berufsringer.
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Wayne Munn, der Riese aus Nebraska
Das Wort Riesenbaby dürfte auch auf "The Big Show" Paul Wight zutreffen. Bereits im 12. Lebensjahr maß er 1.85m und wog 125kg. Die magische 500 Pfund Grenze war sein Markenzeichen. Ständig ertönte die Ansage "fivehundred pounds". Dabei ist Wight wohl einer der beweglichsten Riesen. Man erinnere nur an den Drop Kick gegen Chris Benoit. Im Ring zeigte der Koloss einen bunten Auftritt. Ob als Schotte verkleidet oder mit einem Schwert bewaffnet, Wight nutzte seine enorme Masse und Größe explizit aus. Dabei bekam so mancher Gegner seine Bratpfannenhände oder seine Schuhe Größe 62 zu spüren. Eine lustige Geschichte ereignete sich mal in Japan. Wight übernachtete in einem Hotel. Da die Gegenstände seinen Ansprüchen fast nie gerecht werden konnten, musste irgendwann das Unglück eintreten. Als er sich auf die Toilette des Hotelzimmers setzte, brach diese aus der Wand heraus. Das muss für die Hotelbesitzer ein komischer Anblick gewesen sein. Wight durfte man nie unterschätzen. Derzeit hat er offenbar einiges an Gewicht verloren. Vielleicht kehrt der sympathische Riese, der einen Kleinwagen fährt, bald in den Ring zurück. Vielleicht zieht Wight auch die Notbremse und hört gänzlich mit dem Wrestling auf.
Weitere Riesen der Vergangenheit waren u.a. der schlank erscheinende Simon Antonitsch, der rundliche Pierrard de Colosse und schließlich der Berliner Meisterringer Paul Westergaard Schmidt. Der größte unter den damaligen Athleten war wohl der Königsberger Kurt Zehe mit seinen rund 2.20m. Manche zeitgenössische Autoren sagen sogar er maß 2.32m. Antonitsch war das perfekte Beispiel, dass ein übergroßer Mensch auch im Wrestling erfolgreich sein konnte. Antonitsch maß 2.13m und wog 130kg. 1908 wird er in Wien Weltmeister im Schwergewicht. Er errang den Sieg noch vor den Kontrahenten Jakob Koch und Alfons Steuers. Antonitsch wurde nur 38 Jahre alt. Er starb 1919 an den Folgen eines Leberleidens. Seine hagere Erscheinung erregte Aufsehen. Im Ring ließ er jedoch kaum Worte fallen, als vielmehr mehr Taten folgen. Die auffallend langen Arme begünstigten die Durchführung seiner Spezialgriffe. Dazu gehörte auch der Nackenhebel.
In Berlin trieb damals ein Riese sein Unwesen, der später fünffacher Weltmeister der Schwergewichte wurde, Paul Westergaard Schmidt. Durch die Straßen von Berlin zog er bei Wind und Wetter einen Möbelwagen. Eine elegante Methode um Aufmerksamkeit zu erregen. Dabei haben diese Kraftproben auch sein Können im Ring kaum in den Schatten gestellt. Das zeigte sich dann später bei den Weltmeisterschaften.
Fortsetzung folgt
